Zwölf Lebensregeln von David Hume

Quelle: David Hume, Essays Moral and Political, Nr. 9 The Sceptic

Gerhard Streminger* leitet diese Lebensregeln in seiner Kommentierung der Essays Moral and Political so ein: »Interessanterweise fügte Hume erstmals 1758 diesem Essay eine Fußnote bei, worin er den Verdacht äußert, daß der Skeptiker übertreibe, wenn er die Möglichkeit der Philosophie, Trost zu spenden, derart geringschätzt. Er nennt einige weitere, sehr stoisch klingende Überlegungen, die die Lebensverhältnisse ins rechte Licht rücken und Zufriedenheit, calm passions, schaffen könnten:

"1. Hat nicht jeder Berufsstand verborgene Übel? Warum beneiden wir dann andere?

2. Alle Situationen haben bekannte Übel; und insgesamt gibt es einen Ausgleich. Warum sind wir nicht mit unserer Lage zufrieden?

3. Die Gewohnheit stumpft uns gegen das Gute wie das Böse ab und nivelliert alle Dinge.

4. Gesundheit und eine heitere Gelassenheit sind die wahren Güter. Der Rest ist von geringer Bedeutung, außer er beeinträchtigt die genannten zwei.

5. Wieviel Gutes genieße ich? Warum lasse ich mich dann von einem Übel verdrießen?

6. Wie viele würden sich in der Lage, über die ich mich beklage, glücklich schätzen und mich beneiden?

7. Ein jedes Gut will bezahlt sein: Vermögen mit Arbeit, Gunst mit Schmeichelei. Möchte ich denn die Ware haben, aber das Geld dafür behalten?

8. Erwartet in diesem Leben kein zu großes Glück; die menschliche Natur läßt es nicht zu.

9. Erstrebt kein überkompliziertes Glück. Aber hängt das denn von mir ab? Ja; wenigstens was die erste Entscheidung anlangt, hast du die Wahl. Das Leben ist wie ein Spiel; wir können die Art des Spiels wählen, und allmählich ergreift die Leidenschaft vom Gegenstand Besitz.

10. Die Zeit heilt alle Wunden. Nehmt deshalb schon in eurer Hoffnung und Einbildungskraft den Trost vorweg, den euch die Zukunft bringen wird.

11. Warum ich Reichtum begehre? Nun, ich möchte viele schöne Gegenstände besitzen: Häuser, Gärten, Kutschen und vieles mehr. Wie viele schöne Dinge bietet die Natur uns aber völlig unentgeltlich dar? Können wir uns daran erfreuen, haben wir damit übergenug. Können wir es nicht, brauchen wir uns nur die Wirkung der Gewohnheit und der Laune anzusehen: schon bald nehmen sie uns die Freude an unserm Reichtum.

12. Ich begehre Ruhm. Handle ich recht, so werden mich alle meine Bekannten achten. Können mir dann nicht alle anderen gleichgültig sein?"

Zu guter Letzt empfiehlt Hume die häufige Lektüre "unterhaltsamer Moralisten: Nehmt Zuflucht zur Gelehrtheit PLUTARCHS, der Phantasie LUKIANS, der Beredsamkeit CICEROS, dem Scharfsinn SENECAS, der Heiterkeit MONTAIGNES und der Erhabenheit SHAFTESBURYS ... Verachtet diese Hilfen nicht, doch setzt auch kein zu großes Vertrauen in sie, es sei denn, die Natur wäre Dir entgegengekommen und hätte Dich mit einer günstigen Gemütsverfassung ausgestattet."«

* Zitiert nach: Gerhard Streminger, David Hume, Sein Leben und sein Werk, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 1994, S. 255-256

Zusammengestellt von Helmut Walther (Nürnberg)


Publiziert in: Aufklärung und Kritik 1/2003, S. 222 f.

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