Prof. Dr. Gerhard Streminger

Leserbrief an Information Philosophie
zu Roland W. Puster, >Das Theodizee-Problem in neuer Sicht<


Abgedruckt in Information Philosophie Heft 1, 2004, S. 33. Zu: >Das Theodizee-Problem in neuer Sicht<, Information Philosophie Heft 5, 2003, S. 113ff.

>>Roland W. Puster hat meinem Buch Gottes Güte und die Übel der Welt eine Kritik gewidmet, die in der letzten Nummer von Information Philosophie (>Das Theodizee-Problem in neuer Sicht<, 113f.) ausführlich gewürdigt wurde.

In meinem Buch hatte ich versucht, die verschiedenen klassischen Antworten auf das Theodizee-Problem darzustellen und zu diskutieren. Das Ergebnis war rein negativ: Keine der berühmten Antworten vermag das besagte Problem zu lösen. Vielmehr sind die Fragen, die zumindest seit Hiob Gläubige bewegen und von Epikur in eine klassische Formulierung gebracht wurden, immer noch unbeantwortet: "Ist Gott willens, aber nicht fähig, Übel zu verhindern, dann ist er ohnmächtig. Ist er fähig, aber nicht willens, dann ist er boshaft. Ist er aber fähig und willens? Woher dann das Übel?"

Mehr noch: Wenn die Analysen in Gottes Güte und die Übel der Welt stimmen, dann ist das Theodizee-Problem nicht bloß ungelöst, sondern unlösbar.

Ganz anderer Meinung ist nun Puster. Er glaubt – so sein entscheidendes Argument -, dass die Beweislast gar nicht bei den Behauptenden, also den Theisten, sondern bei den Leugnenden, den Skeptikern liege. Denn diese müssten zeigen, dass das von Theisten Behauptete (dass es einen allmächtigen und moralisch vollkommenen Gott gäbe) unmöglich wahr sei. "Selbst bei den drastischen Beispielen von Leid … kann der Theist antworten, dass er zwar nicht die leiseste Ahnung habe, wie dieses Leid zu rechtfertigen wäre, aber daraus folge nicht, dass dies definitiv unmöglich sei."(114)

Puster hat in dem Punkt zweifellos recht, dass die traditionelle Gottesvorstellung >nicht definitiv unmöglich< sei. Allerdings – und das ist mein Gegeneinwand – genügt es nicht, es sich im Möglichkeitsraum bequem zu machen. Möglich ist nämlich fast alles, und es wäre ein grober Denkfehler, wenn Puster glaubte, dass eine Behauptung dadurch plausibel würde, das es unmöglich ist zu zeigen, dass das Behauptete falsch sei.

Angenommen, es gibt sieben erotische Göttinnen, die, in antike Gewänder gehüllt, in einem Schloss aus Helium über dem Brocken hausen und, eine nach der anderen, Herrn Puster besuchen und ihm Nacht für Nacht den Schlaf rauben. Aus der Tatsache, dass es unmöglich ist zu beweisen, dass alles dies falsch sei – auch dieser Geistesfunke enthält keinen Widerspruch und sein Inhalt ist leicht vorstellbar –, folgt nur, dass er möglicherweise wahr, nicht jedoch, dass er plausibel ist. Aus der Unmöglichkeit, einen Gegenbeweis führen zu können, kann nicht geschlossen werden – um bei dem Beispiel zu bleiben –, dass es plausibel ist, dass derartige Göttinnen mit derartigen bösen Absichten existierten.

Ähnliches gilt nun für die Behauptung, dass es ein allmächtiges und moralisch vollkommenes Wesen gäbe. Aus der Tatsache, dass eine derartige Vorstellung nicht definitiv unmöglich ist, folgt nur, dass sie möglicherweise wahr, nicht aber, dass sie plausibel ist. Zu einem bloß möglichen Gott kann man aber keine ernsthafte Vertrauensbeziehung aufbauen, ER kann auch kein Garant für Moralität und für eine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits sein.

Theisten, die schon gefürchtet hatten, aufgrund der Pusterschen Argumente arbeitslos zu werden, können beruhigt aufatmen: Die Beweislast liegt weiterhin allein bei ihnen.<<

Dr. Gerhard Streminger, Bad Radkersburg