Rezension zu:


G. Streminger, David Hume, Sein Leben und sein Werk.
Ferdinand Schöningh, Paderborn u.a., 715 S.

Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie Nr. 82/1995


Der wohl einflußreichste Kritiker des Rationalismus und wichtigste Autor der britischen Aufklärung heißt David Hume. Bekanntlich war er es, der Kant aus seinem "dogmatischen Schlummer" weckte. GERHARD STREMINGERS Biographie "David Hume. Sein Leben und sein Werk" erschien 1994, mußte noch im selben Jahr neu aufgelegt werden und liegt seit 1995 auch in einer preiswerten Taschenbuchausgabe vor – ein für ein philosophisches Werk phänomenaler Erfolg. Das Buch ist bei aller Gelehrsamkeit im besten Humeschen Stil geschrieben: scharfsinnig, klar und humorvoll. Der Biograph macht kein Hehl daraus, daß er mit Humes Religionsskepsis, seiner Diesseitigkeit und seiner praktizierten Nächstenliebe lebhaft sympathisiert. Hume wurde 1711 in Edinburgh geboren. Nach einem eher halbherzig durchgeführten und schließlich abgebrochenen Studium der Rechte wandte er sich der Philosophie zu. 1739/40 erschien sein Hauptwerk "A Treatise of Human Nature", das jedoch zunächst keine Anerkennung fand. Sehr viel erfolgreicher waren seine 1741/42 publizierten "Essays, Moral and Political". Die Bewerbung auf einen moralphilosophischen Lehrstuhl an der Universität Edinburgh scheiterte am Einspruch religiöser Kreise. Hume wurde Privatsekretär. 1748 erschien der "Enquiry Concerning Human Understanding", der Hume endgültig berühmt machte. Seine seit 1754 publizierte "Geschichte Englands" wurde sofort in mehrere Sprachen übersetzt. Trotzdem verweigerte man dem Philosophen weiterhin einen Lehrstuhl in seiner Heimatstadt. Er arbeitete u.a. als Regierungsbeamter in London, bis er sich 1769 nach Edinburgh zurückzog. Wegen seiner Offenheit und Hilfsbereitschaft nannten ihn seine Nachbarn "le bon David". Er starb 1776, wie er gelebt hatte, ruhig und heiter den Tod eines Philosophen.

Der Name des Schotten ist mit dem "Humeschen Gesetz" verknüpft, also dem Grundsatz der Unableitbarkeit von Tatsachenaussagen aus Werturteilen (und umgekehrt) (213). Berühmt ist seine Kausalanalyse, durch die er nachwies, daß die Vorstellung einer notwendigen kausalen Verknüpfung in der Sinneswahrnehmung keine Basis hat. Was wir wahrnehmen, ist allenfalls die konstante Aufeinanderfolge von Ereignissen, die aber keinesfalls ohne weiteres in die Zukunft extrapoliert werden darf (163 ff). Dieses Argument hat bis heute allen Widerlegungsversuchen standgehalten. In gewissem Sinn hat also Hume das Rätsel der Induktion gelöst, nämlich negativ. Die rationalistische Vorstellung, man könne allein durch Nachdenken ein Wissen um Werte und absolut geltende Normen erlangen, hielt er für eine Illusion. Seiner Ansicht nach sind Verstandesgründe für die Moral nicht einmal besonders wichtig. Wie die Analyse des menschlichen Handelns zeige, komme den Gefühlen bei der Handlungsmotivierung eine viel größere Bedeutung zu (wer Humes Gesetz verstanden hat, merkt, daß damit ein Wechsel von einer normativen zu einer beschreibenden Perspektive vollzogen wird). Für Hume muß eine Moralphilosophie, "die Menschen zu einem tugendhaften Leben motivieren will, [...] immer auch die Gefühle ansprechen. Eine rationalistische Ethik, derzufolge moralische Einsichten nichts anderes als logische Wahrheiten sind, ist zum Scheitern verurteilt" (212). Humes Ethik ist also anthropologisch fundiert. Ein Utilitarist war Hume nicht, eher ein Epikureer. Dies hat aber offenbar ausgereicht, um ihn bei vielen Rechtsphilosophen zu diskreditieren – ganz zu Unrecht, wie Stremingers fulminante Biographie erneut zeigt.

Prof. Dr. Eric Hilgendorf