Rezension


Gerhard Streminger:

David Hume. Sein Leben und sein Werk

2. unveränd. Aufl. Paderborn, München, Wien, Zürich
Verlag Ferdinand Schöningh, 1994, 715 S.

Rezensiert von ast

in KNA Der Buchbrief, Juni 1995

Aufklärer und "religiöser Atheist" – Der Philosoph David Hume

Religion, führt der schottische Philosoph David Hume (1711-1776) in seinem auch heute noch kaum bekannten, 1757 entstandenen Traktat "Natural History of Religion" aus, sei nicht überirdischer Herkunft, sondern ein Produkt des Menschen und daher nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen. Die Ursache aller Religiosität liege vielmehr in der Gewalt der menschlichen Triebe und Ängste, so Hume in dieser wohl ersten systematischen Abhandlung auf dem Gebiet der Religionspsychologie und -soziologie. In seiner umfangreichen Studie "David Hume – Sein Leben und Werk" geht der Grazer Philosoph und Mathematiker Gerhard Streminger ausführlich und unter Berücksichtigung des zeitgenössischen Kontextes immer wieder auf die Religionskritik des schottischen Denkers ein. Als "besonderes wissenschaftliches Ereignis" preist der Paderbomer Verlag Ferdinand Schöningh das Ende 1994 unverändert in zweiter Auflage erschienene Buch an. Diese "erste umfassende Darstellung über Leben. und Werk des Empiristen", so der Verlag, schließe eine Forschungslücke.

Als jüngstes Kind der schottischen Anwaltsfamilie Joseph Home of Ninewells wurde David Home, der erst später die Schreibweise seines Namens in Hume änderte, weil sein Name sonst im Englischen falsch ausgesprochen wurde, am 26. April oder am 7. Mai 1711 (die Quellen nennen beide Daten) in Edinburgh geboren. Aufgewachsen in einer streng calvinistischen Familie, wurde Hume durch die Lehre der "Church of Scotland" (Kirk) geprägt. Die sein ganzes Werk durchziehende Auseinandersetzung mit der Religion zeigt, daß er sich, wenn auch in zunehmend kritischer Distanz, mit dieser Frage zeitlebens beschäftigt hat. Hume entwickelte in seiner Philosophie den Empirismus, jene Lehre, daß alle Erkenntnis abgeleitet sei aus dem durch Erfahrung Gegebenen, fort. Ein Resümee seiner Religionskritik hat er in der zwischen 1750 und 1776 entstandenen, aber erst drei Jahre nach seinem Tod gedruckten Abhandlung "Dialogues concerning Natural Religion" gezogen. Diesem Traktat – "einem Meisterwerk der Aufklärung" – mißt Streminger mit Blick auf Säkularisierung und christliche Fundamentalismen in der Gegenwart nach wie vor Bedeutung bei: "Eine grundsätzliche Analyse und Kritik der Religion, wie David Hume und andere Aufklärer sie entwickelt haben, dürfte also weiterhin von Bedeutung sein, schon deshalb, weil der theologische Diskurs sich der philosophischen Kritik nicht entziehen kann und daher fast notwendigerweise auch die Auseinandersetzung mit den Humeschen Thesen suchen muß. Daß die übrigen philosophischen Analysen, zumindest Fragestellungen, des 'Vaters' der modernen Philosophie heute noch zeitgemäß sind, wird ohnedies kaum jemand bezweifeln."

Streminger hat ein biographisches Werk mit wissenschaftlichem Anspruch (Fußnoten, umfangreiche Literaturangaben) vorgelegt, wobei es ihm gelingt, Humes Gedankenwelt – verwoben mit dem Lebenslauf des schottischen Denkers – weithin spannend und erzählerisch nachzuvollziehen, was auch dem weniger einschlägig "Vorbelasteten" trotz des über 700seitigen Umfangs die Lektüre erleichtert. Nach wie vor bildet der aufklärerische Empirist aus Edinburgh, wie es bereits Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1837) formulierte, mit Jean-Jacques Rousseau (1712-1778) "die beiden Ausgangspunkte der deutschen Philosophie". Ein Exkurs gilt auch dem Aufenthalt Humes als Diplomat in Deutschland im Jahr 1748. Ergänzt wird die Darstellung durch. mehrere Schwarz-Weiß-Zeichnungen, Fotos und Farbtafeln.

ast