Rezension


Gerhard Streminger:

David Hume. Sein Leben und sein Werk

2. unveränd. Aufl. Paderborn, München, Wien, Zürich
Verlag Ferdinand Schöningh, 1994, 715 S.

Rezensiert von Bernd Schmidt

in der KRONENZEITUNG vom 26. Mai 1995




Ja, David Hume mochte die Steirer nicht.
Sie u n d seine Philosophie überdauerten.

VON BERND SCHMIDT


Zeitgenossen schildern ihn als kompliziert. Als Denker ging er in die Geschichte ein. Und das Buch eines Grazer Wissenschaftskollegen erhellt die Situation: Gerhard Streminger, "David Hume. Sein Leben und sein Werk", bei Schöningh.

Gerade schmeichelhaft sind Humes Einsichten in das Steirische in der Tat nicht. "Aber so sehr das Land in seiner Wildheit angenehm ist, sosehr sind die Bewohner unzivilisiert, deformiert und gräßlich in ihrer Erscheinung." Und Hume fügt hinzu: "Sehr viele von ihnen haben häßliche geschwollene Kehlen. In jedem Dorf wimmelt es von Debilen und Schwerhörigen, und das allgemeine Aussehen der Leute ist das schockierendste, das ich je gesehen habe."


 

Behäbig, doch geistig frisch, war David Hume, der schottische Philosoph, dessen bewegtes Denker- und Diplomatenleben der Grazer Gerhard Streminger in der eben bei Schöningh erschienenen interessanten Biographie abgehandelt wird. Ein Buch für Steirer!



Mit Kropf voraus!


Was Hume, der große Denker und Schöngeist, über uns auswirft, wirkt – obschon medizinisch nicht belegt – weiter: der Begriff des "Kropfsteirers" war geboren. Als "Abfall der Armeen der Völkerwanderung" beschimpft uns der selbsternannte Ästhet. Doch hart im Nehmen, lesen wir in Stremingers pointierter Hume-Biographie auch Böses über den Steirer-Verächter: Genußmensch – und als solcher mehr Gourmand denn Gourmet – warf er sich dem höfischen Frauen-Publikum zu Füßen, ihnen, den Damen, die ihm alles bedeuteten, notgedrungen platonisch dienend.

Moralist, daher mehr fordernd als erfüllend, nähert sich Hume aus aussichtsloser Position den Schönen. Belagert – einem Landadeligen gleich – Hof und (Schlaf-)Zimmer, weiß sich zu artikulieren, ohne letztlich Worte der Liebe zu finden... Hume, am Zenit seiner philosophischen Zeichensetzung, gondelt als falsch eingesetzter Diplomat durch die europäischen Lande. Wien, London, Venedig, Rom. Ein "Zehr"-Bild seines inzwischen angegessenen dicken Selbst. (Ein schlechtes Beispiel vielleicht auch für EU-Brüssel heutzutage.)

Gerhard Streminger, um dem Grazer Philosophen und trefflichen Hume-Biographen endlich auch Tribut zu zollen, bereitet das Genie über die g’schmackigen Steiermarkbezüge hinaus vortrefflich auf. Der am Grundsätzlichen interessierte Denker Hume, den es immer wieder (dankenswerter Weise) ins Pauschale zieht, erwirbt sich so mehr Meriten als in kargen Nachschlagewerken. Und: Hume als polternder Geist wird durchwegs und selbstverständlich als lebendiger Denker apostrophiert. Als einer, der freilich ein System zu verteidigen angetreten ist. Wozu? Die Frage stellt sich nicht.

Der Grazer Gerhard Streminger, Jahrgang 1952, schaut – mit allen akademischen Weihen versehen et cetera – seinem Kollegen Hume mit (mitunter wohlwollender) Satire über die Schulter. Wenn uns Steirern der durchaus sattelfeste Diplomat und Philosoph David Hume auch fast alle Schönheitsideale abgesprochen hat: Angst vor so viel Urtümlichkeit muß den Denker durchzuckt haben – angesichts steirischer Breite.

Schlechte Reklame ist besser als gar keine. Und Kröpfe gibt es – mit oder ohne Hume.