Rezension


David Hume

Gerhard Streminger: David Hume. Sein Leben und sein Werk. 715 Seiten, Verlag Schöningh, Paderborn, 1994.

in "Deutsche Tagespost" Nr. 39, Würzburg, 1. April 1995

Rezensiert von Hubert Pieper




David Hume gehört sicherlich zu den bedeutenden Philosophen der neueren Zeit. Um so verwunderlicher ist es, daß bisher keine umfassende Darstellung seines Lebens und seines Gesamtwerkes vorlag. Genau diese Lücke schließt die Arbeit Stremingers. Fast zehn Jahre intensiver Forschung stehen dahinter. Eine genaue Biographie des schottischen Empiristen holt soziologisch breit bis hin zum Anekdotischen aus. Der Einstieg in die Gedankenwelt Humes, in die enorme Fülle seiner Veröffentlichungen geschieht in ständiger Synchronisation mit den Lebensstationen.

Hume war lange, bevor er als Philosoph hervortrat, als Essayist und Historiker berühmt. Beinahe zehn Jahre arbeitete er an seiner History of England. Dieses Werk erlebte bis heute mehr als hundert Auflagen. Kein Philosoph besaß auch nur annähernd größere Geschichtskenntnisse als Hume.

Die Philosophie gilt ihm als medicina animi, als Heilmittel für den Geist. Das Generalthema und der Anspruch seins philosophischen Bemühens: durch Erfahrung und Beobachtung die menschliche Natur und ihre grundlegenden Prinzipien zu erforschen. Das beherrschende Grundmotiv dabei ist die Frage, ob wir von dem reden können, was nicht im Umkreis primärer Erfahrung liegt. Hume gründet seine Philosophie auf Vernunftprinzipien. Er will die "Vernunft vom Aberglauben der Metaphysik" reinigen. Sein Denkansatz verlagert die Analyse der Kausalität von der Objekt- auf die Subjektseite, von der objektorientierten Naturphilosophie zu einer Philosophie der menschlichen Natur. – Spätestens hier wird deutlich, wie sehr die Philosophie Kants von der Humes abhängt. Zum Verständnis von Kant ist eine Auseinandersetzung mit Hume unerläßlich. Streminger weist auf diese Zusammenhänge hin, untersucht sie aber nur periphär. Hume hat die Metaphysik zwar nicht widerlegt, aber er hat sie gezwungen, eine andere Gestalt anzunehmen. Zeitlebens hat er sich mit der Frage der Religion auseinandergesetzt. Sein Ressentiment gegenüber dem Christentum läßt ihn nicht los. Er sieht Religion und Metaphysik als Gefahr für die Moral. Heuchelei und Religiosität liegen für ihn dicht beieinander. Er wollte – wie der Autor sagt – "der Newton der Moral" werden. Den Ursprung der Moral leitet er aus der Funktionsweise der Selbstliebe ab. Der Aufklärer Hume setzt sich für eine Sittlichkeit ohne Gott ein und er glaubt an den moralischen Fortschritt der Menschheit. Ethisch-religionsphilosophische Themen ließen ihn philosophisch produktiv werden. Doch er entwickelte eine irreligiöse Philosophie. Man bezeichnet ihn als "religiösen Atheisten". Streminger geht nicht darauf ein, daß Hume jegliches Heimweh der anima naturaliter christiana nach Ewigkeit abgeht. Ohne Gott fehlt der Ethik das Fundament. Wer die Vernunft zum Gesetzgeber erhebt, plädiert für eine falsch verstandene Autonomie.

Hubert Pieper