Rezension zu:

GERHARD STREMINGER, David Hume. Sein Leben und sein Werk.
Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn – München – Wien – Zürich 1994. 715 S.

Herder Korrespondenz, 49. Jg., Heft 10, Okt. 1995

Spannend und faszinierend bleibt es immer wieder, hinter einem großen Lebenswerk den Menschen selbst zu entdecken. Das gilt auch für den englischen Philosophen David Hume (1711-1776), der sich durch seine Schriften als maßgeblicher Vertreter des Empirismus sowie als unerbittlicher Kritiker der Religion erwiesen hat. Für die meisten seiner Zeitgenossen war Hume der "große Ungläubige", dem kaum menschliche Regungen zuzutrauen waren. In Wahrheit aber zeigte er sich als "le bon David", verständnisvoll und hilfsbereit, mild und heiter, zufrieden und ergeben in ein langes, schließlich zum Tod führendes Leiden. Den Menschen Hume auf seinen verschlungenen Lebenswegen zu begleiten sowie ihn und sein Werk aus diesen Geschicken heraus zu verstehen, ist die Absicht dieses Buches. Damit reicht es weit über eine bloße Biographie hinaus und erhellt die historischen Hintergründe, die politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten in England, Schottland und Frankreich (wo sich Hume lange Jahre aufhielt), erst recht aber die vielfältigen Beziehungen und Begegnungen mit namhaften Philosophen und Wissenschaftlern. Zugleich gibt es reichen Einblick in das weit verzweigte Werk dieses bedeutenden Denkers. Sein Erstling, der "Traktat über die menschliche Natur", fällt zwar "totgeboren aus der Druckerpresse" und seine bahnbrechende "Untersuchung über den menschlichen Verstand" stößt, nicht zuletzt durch die darin geübte Wunderkritik, auf heftigen Widerstand. Dennoch waren Humes Arbeiten noch zu seinen Lebzeiten echte Klassiker. In Großbritannien galt er bis ins 20. Jahrhundert durch seine "Geschichte Englands" als bedeutender Historiker, während seine philosophischen und religionskritischen Werke ihm in Frankreich große Reputation brachten. Sein eigenständiges Denken zeigt sich auch in seiner Umkehrung der "Naturgeschichte der Religion" von monotheistischen hin zu polytheistischen Ursprüngen und in seinen posthum erschienenen "Dialogen über natürliche Religion", die der aufklärerischen Selbstverständlichkeit einer vernünftigen Religion den Boden entziehen. Der hohe Informationswert dieses reich bebilderten, manchmal allerdings zu breit geratenen Buches ist enorm. David Hume und sein Werk, das schon im 18. Jahrhundert weit über die Aufklärung selbst hinausweist, stehen nun in klarerem Licht vor unseren Augen.

A. S.