Rezension

GERHARD STREMINGER: Gottes Güte und die Übel der Welt. 442 S., Verlag J.C.B. Mohr, Tübingen 1992; ISBN 3-16-145889-3

In: botschaft aktuell, Nr. 2 (09.01.1995), Jg. 25, Seite 4

Gerhard Streminger: Gottes Güte und die Übel der Welt. Das Theodizeeproblem; Verlag J.C.B. Mohr, Tübingen 1992, 442 Seiten; 79,00 DM

Als Übel definiert Gerhard Streminger "alle Formen ungerechtfertigten Leids" sowie alles, was dazu führt. Eben solche Übel widersprechen der theistischen "Annahme eines gütigen und weisen Gottes". Streminger analysiert vier "Brückenannahmen", durch welche vor allem im Zeitalter der Aufklärung die Theodizeefrage beantwortet wurde. Dabei kommt er zu dem keineswegs überraschenden, weil als common sense zu bezeichnenden Ergebnis, daß auf Grund verschiedener Aporien keine dieser Antworten wirklich überzeugt: "Weil sich die Leiden der Welt nicht beschönigen lassen, bleibt das Theodizeeproblen ungelöst."

Streminger stellt sodann vier "Umgehungsversuche" – die Privationslehre. Der leidende Gott. Göttliche und menschliche Güte. Ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits – vor, die an biblisches Denken anschließen. Was bislang eine unoriginelle Wiederholung bekannter Gedanken von Hume, Holbach, Nietzsche und vor allem immer wieder Schopenhauer war, schlägt nun in blinde Christentumskritik um im Stile Deschners; auch hier nichts Eigenes, nur Epigonales. Über 100 Seiten wird ohne erkennbare eigenständige Auseinandersetzung mit der Literatur, geschweige denn mit den Quellen Einseitiges, Schiefes und Falsches wiedergekäut. Das erkenntnisleitende Interesse ist mit Ablehnung des Christentums noch beschönigend, mit Verleumdung schon angemessener umschrieben. Ein Beispiel für viele: Jesus war keineswegs gut, sondern "gehässig, rachsüchtig und grausam". Eigenartigerweise beschreiben diese Adjektive nicht ganz unzutreffend des Autors eigene Auseinandersetzung mit der christlichen Tradition, die er nur ausschnittsweise und beschränkt wahrnimmt.

Durchaus zutreffend ist Stremingers Feststellung: "Aus dem Diesseits läßt sich kein gerechter Gott schließen." Und zugespitzter noch: "Eine Satanodizee ist genau so plausibel, und damit genau so unplausibel, wie eine Theodizee." Daß weite Strecken biblischen Denkens just unter dieser Voraussetzung geschehen, bleibt dem Autor verschlossen.

In seinem Schlußteil "Vom guten Leben" plädiert Streminger für "die Möglichkeit einer aktiven Leidminderung ...: durch Umverteilung, durch Geburtenkontrolle und durch mehr Solidarität." Gerade daran aber haben "die Funktionäre Gottes kein ausgeprägtes Interesse ... Leid ist der Nährboden, auf dem Priester prächtig gedeihen." Ansonsten wird zur Bewältigung des unvermeidbaren Leids der Heroismus der klassischen griechischen Tragödie empfohlen: "eine Verherrlichung des Lebens als im Grund unzerstörbar mächtig und lustvoll".

max


Anmerkung: Das Buch hat einige heftige negative Reaktionen ausgelöst, so auch diese des strammen Max. Aber auf Polemiken (und klügere Darstellungen) möchte ich hier nicht eingehen, da ich Ähnliches schon anderswo ausführlich getan habe (siehe dazu meine Replik zu der Kritik an meinem Aufsatz über die christliche Ethik). Allerdings möchte ich die Gelegenheit zu einer grundsätzlichen Bemerkung nützen. Der gelegentliche Vorwurf, dass das Buch sehr polemisch sei, ist meines Erachtens völlig unzutreffernd. Denn von einer Polemik sollte man nur dann reden, wenn – wie oben – wortreiche Anwürfe das Argument ersetzen. Aber im besagten Buch hatte ich mich bemüht, alle Argumente und Fakten zum Theodizee-Problem ernst zu nehmen, und deren Bedeutung und rationalen Gehalt zu untersuchen. Das Recht, dass ich mich dabei – manchmal voll Lebensfreude, manchmal voll blankem Entsetzen – einer farbenfrohen Sprache bediente, sei mir zugestanden – so wie ich die Tatsache, dass die meisten nur hohlwangig und mit einem auf den Horizont gerichteten Blick über diesen Gegenstand reden können, ja auch akzeptiere bzw. akzeptieren muß. Aber die Form des Gesagten sollte nebensächlich sein. Entscheidend ist ihr Gehalt sowie die Absicht, das Problem, ob und in welcher Weise Gottes Güte mit den Übeln der Welt verträglich sein könnte, in möglichst umfassender und unparteiischer Weise abzuhandeln; ob mir dies immer und überall gelungen ist, möge die Lektüre zeigen.