Rezension in Neue Zeit vom 22.11.1987 zu:




Gerhard Streminger. "Hume", roro bildmonographien 357, Reinbek bei Hamburg, 1986, 157 Seiten

David Hume: "Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral", übersetzt und herausgegeben von Gerhard Streminger, Reclams Universal Bibliothek Nr. 8231, Stuttgart, 1984, 304 Seiten

David Hume, der große Philosoph der schottischen Aufklärung des 18. Jahrhunderts, ist im deutschsprachigen Raum ungleich weniger bekannt als die französischen und deutschen Denker dieser Zeit. Und das, obwohl ohne seine Untersuchungen das kritische Werk Kants, den er nach dessen eigenen Worten "aus dem dogmatischen Schlummer erweckt" hatte, wohl kaum denkbar gewesen wäre. Wen wundert's, ist es doch nahezu sechzig Jahr her, seit das letzte umfangreiche Werk über den schottischen Aufklärer in deutscher Sprache erschien.

Dem Grazer Philosophie-Dozenten Gerhard Streminger war es vorbehalten, diese empfindliche Lücke zu schließen. Seine Hume-Monographie bietet auch dem philosophisch nichtgeschulten Leser einen mit zahlreichem Bildmaterial illustrierten Einblick in das umfangreiche Schaffen des empiristischen Denkers, das sich nicht nur auf rein philosophische Themen konzentriert, sondern auch religiöse, politische, ökonomische und historische Fragen behandelt. So ist eines der Hauptwerke Humes – die vierbändige "Geschichte Englands" – das erste Kompendium der englischen Geschichtsschreibung, das die Historie weder aus dem Blickwinkel Gottes noch aus dem der Herrscher wiederzugeben sucht, sondern aus den Position eines objektiven und unparteiischen Betrachters.

Stremingers Darstellung wird allen Aspekten des Humeschen Denkens gleichermaßen gerecht, bleibt selbst bei den heikelsten philosophischen Problemen überaus klar und verarbeitet darüber hinaus, um ein möglichst plastisches Bild des 18. Jahrhunderts zu zeichnen, auch eine Fülle interessanter biographischer Details. Nicht zuletzt die berühmt gewordene Auseinandersetzung Humes mit Rousseau, bei der der Franzose freilich eine eher unrühmliche Rolle spielte.

Wer durch diese Lektüre auf den Geschmack gekommen ist, könnte schließlich noch das moralphilosophische Hauptwerk des schottischen Empiristen – "Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral" – zur Hand nehmen, das in einer Neuübersetzung Stremingers bei Reclam erschienen ist. Die umfassende Einleitung des Herausgebers bietet überdies eine vertiefende Einführung, die das Werk in die Tradition englischer Moralphilosophie einbettet.

In einer Zeit, in der die Irrationalismen wieder bunte Blüten treiben und Aufklärung dringlicher geboten scheint denn je, gewinnt das Denken Humes erneut an Aktualität, gestützt auf die nüchterne Diagnose, daß nur diesseitige Erfahrung den Boden zur Lösung jener. Probleme abgeben kann, die diverse Machthaber im Einklang mit der Kirche erst im Jenseits gelöst wissen wollen.

Reinhard Kager