Rezension zu:

Adam Smith. Rowohlts Bildmonographie
von Gerhard Streminger
Bd. 440, 158 S. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg

 

DAS BUCH DER WOCHE

Ein alter Schotte ist ganz up to date

AUSGEWÄHLT VON ANNA MARIA PEIKER

Kleine Zeitung – Journal, Seite 34 vom 13. Oktober 1989

Der derzeit auch in Wirtschaftskreisen überaus aktuelle schottische Philosoph und Nationalökonom Adam Smith hat im 18. Jahrhundert das Ziel der Aufklärung so bestimmt: Menschen können nur dann ein glückliches Leben führen, wenn ihre Grundbedürfnisse befriedigt sind und wenn sie moralisch handeln. "Moralisch sein", klingt heutzutage eigenartig. "Heute scheint man ein wenig zu vergessen, daß der Mensch nicht nur von Brot allein lebt. Die ethische Diskussion, mit der Smith groß geworden ist, ist heute kaum noch präsent, eine Sinnleere ist entstanden": So äußerte sich der Grazer Philosoph Gerhard Streminger (in einem Gespräch zu seinem Werk), der einen neuen Zugang zur schottischen Aufklärung eröffnete, indem er für Rowohlt eine bereits vielbeachtete Monographie über diesen Adam Smith schrieb und damit die Dimension des 18. Jahrhunderts gegenwärtig macht.

Diese Monographie ist einerseits eine fachlich fundierte und dennoch einfühlsame Rückblende mit liebenswerten Drumherum-Details in das Edinburgh des 18. Jahrhunderts, in eine Zeit ohne Telefon, in eine Zeit, als die Hauptstadt Schottlands 13 Stunden Reisezeit von Glasgow entfernt war.

Andererseits ist diese Monographie das messerscharfe Sezieren des analytischen Philosophen, der den Finger an die alles erschütternde Schwachstelle der Smithschen Ethik zu legen weiß, nämlich an den bei Smith trotz Hunderter Seiten unklar gebliebenen Grundpfeiler seiner Ethik, die "Sympathie", das "Mitgefühl" oder "Mitleid".

Smith erscheint in der Streminger-Monographie auch geprägt von Newton und von dessen Entdeckung, daß die als chaotisch erscheinende physikalische Welt einer natürlichen Ordnung unterliegt. Schon 1755 plädierte Smith für die Freigabe des Handels, mit der Begründung, daß auch dem Mechanismus des Marktes eine natürliche, dem Menschen wohlwollende Ordnung zugrundeliegt. Und dank dem Prinzip der "Sympathie", die ein Sich-hinein-Fühlen in den anderen Menschen fordert, benötigt der Aufklärer Smith für den menschlichen Bereich keine überweltliche moralische Instanz, sondern kann auch in diesem Gebiet die Selbstregulierung postulieren.

"Die ökonomische Dimension Smiths, die die Abdeckung der menschlichen Grundbedürfnisse einer (nicht gänzlich!) freien Marktwirtschaft überläßt, scheint gerade gegenwärtig zum Triumphzug angetreten zu sein", meint Streminger. Aber die zweite, die ethische, Dimension im Werk Smiths sei eben derzeit leider durch die übermäßige Präsenz der ersten aus dem Denken der Menschen verdrängt.

Also sprach Adam Smith

"Ist die Autorität des Gesetzes allein nicht ausreichend, um jedem Mitglied des Staates volle Sicherheit zu gewähren, so ziehen es die verschiedenen Zweige der gleichen Familie gemeinhin vor, in engster Nachbarschaft voneinander zu leben. Es ist noch nicht viele Jahre her, daß im Hochland von Schottland das Stammesoberhaupt den ärmsten seines Clans als seinen Vetter und Verwandten zu betrachten pflegte."

Noch ein Wort aus seiner "Theorie der ethischen Gefühle": "Ohne Ruhe kann es keinen Genuß geben, und wo völlige Seelenruhe ist, da gibt es kaum etwas, was nicht fähig wäre, uns zu unterhalten."

ADAM SMITH. Bildmonographie von Gerhard Streminger. Rororo-Band 1080, 158 S.