Gerhard Streminger

Zwei neue Briefe David Humes

Während eines Forschungsaufenthaltes in Großbritannien habe ich in der University Library in Edinburgh zwei bislang unveröffentlichte Briefe David Humes gefunden.(1) Beide wurden im Sommer 1776, wenige Wochen vor Humes Tod, geschrieben; adressiert sind sie an den Freund und Verwandten John Home, den Autor von Douglas. Obwohl die Inhalte der beiden Briefe kein neues Licht auf das Leben und Werk David Humes werfen, so enthalten sie doch einige neue Details über den Verlauf seiner letzten Krankheit. Vor allem aber sind die Briefe bewegende Zeugnisse der Menschlichkeit von le bon David.

 

1. Brief vom 16. Juli 1776
(University Library DK 6.27/3)

Edinburgh 16 of July 1776

It is even so, Dear John, as I told you: Sunday very ill, yesterday very ill, to day very well, to morrow I shall be tolerably: But on the whole, I find it impracticable for me to stir from this place; and even my Physicians have agreed to my Suspension of Exercise. They are now beginning to give me Pills, as in Duty bound, which I swallow without Enquiry, from the Same Motive. I See today, from my windows, fine dry airy Weather, which will put all your Hay in a good Condition; and instead of grudging that I cannot partake, directly, of this Pleasure; M' Smith tells me, that I ought to enjoy it by Sympathy, which I endeavour to do. It is by Sympathy only I can partake of a Dinner which Ferguson gives to several of our Friends to day, and which, I suppose, will be a Feast, because all Misers Dinners are such: For I believe, that I told you already of this happy Change, that has been produced on our Friend in this particular; scarcely less than that of the Conversion of St. Paul. I hope you have good Accounts of Mrs. Home.

 

Übersetzung

Es ist schon so, lieber John, wie ich es Dir erzählte: Sonntag sehr krank, gestern sehr krank, heute wohlauf, morgen wird es mir leidlich ergehen. Aber im großen und ganzen vermag ich mich nicht von der Stelle zu rühren; und sogar meine Ärzte erklären sich damit einverstanden, dass ich meine körperlichen Aktivitäten unterbreche. Sie beginnen nun, ihrer Pflicht entsprechend, mir Pillen zu verabreichen, die ich, ebenfalls aus Pflichtgefühl, ohne weitere Fragen schlucke. Von meinen Fenstern aus sehe ich, dass heute ein schönes, trockenes, windiges Wetter herrscht, das Dein gesamtes Heu in einen guten Zustand bringen wird; und anstatt neidisch zu sein, dass ich an diesem Vergnügen nicht unmittelbar teilhaben kann, soll ich es, wie Mr. Smith mir erklärt, mittels Sympathie genießen, was zu tun ich mich auch bemühe.(2) Ebenfalls nur mittels Sympathie kann ich an einem Mahl teilnehmen, das Ferguson heute für einige unserer Freunde gibt, und das, wie ich vermute, ein Gelage werden wird, denn solcher Art sind die Mahlzeiten von Geizhälsen immer. Ich glaube, dass ich Dir bereits von der glücklichen Verwandlung, die in dieser Hinsicht in unserem Freund stattgefunden hat, erzählt habe; kaum geringer als die Bekehrung des hl. Paulus. Ich hoffe, Du hast von Mrs. Home gute Nachrichten.(3)

 

2. Brief vom 23 july 1776
(University Library DK 6.27/4)

Edinburgh 23 of July 1776

Your are very good natured, My Dear John, to desire the Journal of an infirm Person, which can supply you with nothing but an account of Relapses, Recoveries, and the long Train of lingering ailments, which sometimes a sick Person likes to talk of, but which is a Subject, that he ought by no means to indulge. But since you have not only the Patience to bear it, but the Curiosity to desire it, I shall make no Scruple in giving it you. Yesterday Morning, I had a severe Colic; it diminished gradually towards evening; I slept well, and find myself very easy at present, fit either for reading, or conversation, and only disqualifyed for Motion. Every body that I see congratulates me upon the Reports, spread abroad by my Physicians, that I am to recover; which is the more agreeable to me as it is perfectly new. I can only say, that, as my Distemper is likely to prove of a lingering kind, and not so rapid in its Progress as last Spring, it is not impossible but my habit of Body may change, and I may have a species of Recovery, which I must make the best of, and cal] by the Appellation of good Health. I hope to have an Interval of this kind towards the End of the Week and beginning of the next, that I may more perfectly enjoy the Pleasure of your Company. Your Accounts from Buxton, I hope, continue favourable.

Note by Mr John Home: Mrs. Home was at Bath when he came there and (Mr) David took a large house where we lived together. When Mr Home left Bath Mm Home came with us as far as Buxton, & remained there when we went an to Edinburgh.

 

Übersetzung

Du bist sehr gutmütig, mein lieber John, nach dem Tagebuch eines gebrechlichen Menschen zu fragen, das Dich mit nichts anderem als mit einem Bericht von Rückfällen, Genesungen und der langen Kette langwieriger Leiden versorgen kann, über die ein Kranker manchmal zu sprechen beliebt, was allerdings ein Thema ist, in dem er keinesfalls schwelgen sollte. Aber da Du nicht nur die Geduld hast, es zu ertragen, sondern auch die Neugierde, es zu erfahren, werde ich keine Skrupel haben, es Dir zu geben. Gestern Morgen hatte ich eine heftige Kolik; gegen Abend nahm sie allmählich ab; ich habe gut geschlafen und befinde mich im Augenblick in einem sehr angenehmen Zustand, bin imstande zu lesen oder zu sprechen und bin bloß der Fähigkeit beraubt, mich zu bewegen. Jeder, den ich sehe, gratuliert mir zum Bericht, der von meinen Ärzten verbreitet wird, dass ich mich auf dem Wege der Besserung befinde – was mir umso angenehmer ist, als es für mich völlig neu ist. Ich kann bloß sagen, dass, da meine Unpässlichkeit sich wahrscheinlich als langwierig herausstellen und nicht so schnell wie letzten Frühling voranschreiten wird, meine körperliche Konstitution sich möglicherweise ändern und ich eine Art Genesung durchmachen werde, aus der ich das Beste machen und die ich als >bei guter Gesundheit< bezeichnen muss. Ich hoffe, dass ich eine solche Phase gegen Ende dieser und zu Beginn der nächsten Woche haben werde, so dass ich das Vergnügen Deiner Gesellschaft noch intensiver genießen kann. Deine Berichte aus Buxton, so hoffe ich, bleiben weiterhin günstig.

Anmerkung(4) von Mr. John Home: Mrs. Home war in Bath, als wir dort eintrafen, und (Mr.) David mietete ein großes Haus, in dem wir zusammenlebten. Als Mr. Home [= Hume(5)] Bath verließ, begleitete uns Mrs. Home bis nach Buxton und blieb dort, während wir unsere Reise nach Edinburgh fortsetzten.(6)

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(1) Erstmals veröffentlicht in: Hume Studies X/1 (1984), S. 81-83.
(2) Der berühmte Adam Smith, Humes bester Freund, wohnte damals bei dem Todkranken in der St. David's Street in Edinburgh. Sympathy bzw. >Sympathie< ist ein terminus technicus und bedeutet, wie in David Hume. Sein Leben und sein Werk näher ausgeführt wird, sowohl bei Hume als auch bei Smith >Mitgefühl< bzw. >emotionale Teilhabe an der Situation anderer<, mithilfe von Phantasie.
(3) Siehe dazu die Anmerkung John Homes am Ende des nächsten Briefes.
(4) Dieser ganze Absatz findet sich auf der Rückseite des Briefes vom 23. Juli 1776; er wurde offenbar von John Home selbst geschrieben.
(5) Zwischen den beiden Verwandten und Mitgliedern desselben schottischen Clans gab es, wie ebenfalls in David Hume. Sein Leben und sein Werk näher ausgeführt wird, eine freundschaftliche Kontroverse um die richtige Schreibweise ihres Familiennamens: >Hume<, wie David dachte, versus >Home<, wie John meinte.
(6) John bezieht sich hier auf die gemeinsame Reise mit David von Morpeth nach Bath (und dann von dort zurück nach Edinburgh) im Frühling und Frühsommer des Jahres 1776.


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