Rezension

Alexander Broadie (Hrsg.): The Cambridge Companion to the Scottish Enlightenment. Cambridge: Cambridge University Press 2003. XVI, 366 Seiten.

Wohl keine andere Epoche der Philosophiegeschichte fand in den letzten Jahrzehnten eine vergleichbare Beachtung wie die Schottische Aufklärung. Natürlich steht, wenn man den allgemeinen Bekanntheitsgrad bedenkt, Adam Smith an erster Stelle des Interesses. Seine Ideen werden, wenn auch in sehr verkürzter Form, immer wieder im Zusammenhang mit den ‚Vorzügen des Marktes und den Vorteilen einer globalisierten Wirtschaft‘ genannt; gerade in allerletzter Zeit wird Smith allerdings auch als Moralphilosoph ernst genommen. Als zweites ist natürlich David Hume zu nennen, der im englischen Sprachraum beinahe zum Zeus unter den klassischen Philosophen geworden ist. Es gibt gegenwärtig kaum eine längere systematische Arbeit zu einem traditionellen Thema der Philosophie, in der nicht irgendwo Humesche Argumente befragt und anschließend akzeptiert oder verworfen werden. Die Erforschung der Philosophie Humes und ‚der übrigen Schotten‘ ist insbesondere in den Vereinigten Staaten geradezu zu einer akademischen Industrie geworden.

(Auch im deutschen Sprachraum findet die Humesche Philosophie zunehmend Beachtung. So war, um ein Beispiel zu nennen, eine Übersetzung der Enquiry concerning Human Understanding im Herbst 2003 in der großen Internet-Buchhandlung immer um Rang 10.000 (von etwa 1,5 Millionen Büchern!) plaziert. Wenn man bedenkt, dass diese Übersetzung erstmals 1967 veröffentlicht wurde (!) und auch noch eine andere Übersetzung käuflich erwerbbar ist, so kann man nur staunen. Ähnliches gilt für Humes Moralphilosophie: Im Jahre 2002 erschien nicht nur eine Neuauflage der Reclam-Übersetzung der Enquiry concerning the Principles of Morals, sondern zusätzlich noch zwei weitere Übertragungen des Textes (Meiner, Vandenhoeck). Mir ist nicht bekannt, dass von einem anderen klassischen Text gleichzeitig drei Übersetzungen existieren, noch dazu in renommierten Verlagen.)

Schon aus diesem Grund findet eine weitere Aufsatzsammlung zur Schottischen Aufklärung Interesse, umso mehr, als diese in so gediegener und handlicher Form in der Cambridge University Press veröffentlicht wurde, gewiss eine der Adressen im englischen Sprachraum zur Geschichte der Philosophie. –

Es war vor einiger Zeit Hugh Trevor-Roper, der die einflussreiche These vertrat, dass – gewiss mit besonderem Blick auf Adam Smith – im Zentrum der Schottischen Aufklärung Themen der Politischen Ökonomie standen. Tatsächlich war die Wirtschaft des Landes zu Beginn des 18. Jahrhunderts, etwa verglichen mit dem Nachbarn England, in einem geradezu erbärmlichen Zustand (und es waren ökonomische Gründe, weshalb die Schotten ihre Eigenstaatlichkeit 1707 verloren hatten). Angesichts mehrerer Hungersnöte um 1700 beschäftigten sich viele schottische Intellektuelle der damaligen Zeit mit improvement, also ‚Verbesserung‘ (etwa der ökonomischen Bedingungen), so auch die heute so berühmten ‚Schottischen Aufklärer‘.

Dennoch ist der Ansatz von Trevor-Roper zu eng, um etwa den epistemologischen Analysen Humes und Thomas Reids gerecht zu werden. Eine Erweiterung des besagten Ansatzes tat not, und es ist nicht zuletzt das Verdienst dieser Aufsatzsammlung, dass der Herausgeber – und dann insbesondere Roger Emerson, Paul Wood und M. A. Stewart – überzeugend darlegen, dass "scientific ways of thinking […] were at work at the whole range of intellectual disciplines. Science was even deployed […] in debates on the existence and nature of God" (4). Die ‚Wissenschaften von Natur und Mensch‘ bzw. deren empirische Methode standen also im Zentrum des Interesses, und nicht so sehr Themen der Politischen Ökonomie. Selbst der menschliche Geist galt den Aufklärern als Teil der natürlichen Welt, der empirisch erforscht werden könne und müsse (man denke nur an den Untertitel von Humes philosophischem Hauptwerk, dem Treatise of Human Nature: being an attempt to introduce the experimental method of reasoning into moral subjects).

Durch eine besonders geglückte Zusammenstellung geben bereits die Titel der verschiedenen Arbeiten einen treffenden Überblick über den Reichtum der Gedankenwelt der Schottischen Aufklärer. Deshalb sollen diese kurz vorgestellt werden, ehe dann einige Kritikpunkte vorgebracht werden.

Roger Emerson, der nicht zuletzt durch Arbeiten über die Medizinische Fakultät Edinburghs – deren Ruhm selbst noch Charles Darwin anlockte – bekannt geworden ist, versucht in seinem Artikel ("The contexts of the Scottish Enlightenment", 9-30) einige der Umstände, in welche die Aufklärer hineingeboren wurden, näher zu beleuchten. So beschäftigt sich Emerson mit der Geographie des Landes, mit den Zentren der Aufklärung in den Städten, vor allem aber mit den Auswirkungen des Verlusts der Autonomie im Jahre 1707 auf die schottische Gesellschaft. Die Aufklärer haben, aus ökonomischen und kosmopolitischen Gründen, diese Vereinigung der Parlamente in London dann gutgeheißen, aber zumindest bis zur Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es in der schottischen Gesellschaft heftige Widerstände, die schließlich 1745/46 zum missglückten bewaffneten Aufstand der Jakobiten führten (die damaligen Schlachten waren im übrigen die letzten auf britischem Boden).

M. A. Stewart diskutiert in seinem Artikel ("Religion and rational theology", 31-59) die Religion zur Zeit der Aufklärung, insbesondere den Aufstieg der – vor allem aus England importierten – ‚natürlichen Religion‘, häufig (und verkürzt) einfach ‚Deismus‘ genannt. Dieser theologischen Richtung zufolge können Existenz und Eigenschaften Gottes mit Hilfe der natürlichen Vernunft aus der Schöpfung Gottes – God’s work – und nicht aus der vieldeutigen Bibel – God’s word – hergeleitet werden.

Alexander Broadie interpretiert in dem erkenntnistheoretischen Aufsatz "The human mind and its powers" (60-78) einen Teil der Überlegungen Humes und Reids bezüglich der Vermögen des menschlichen Geistes; und Aaron Garrett analysiert in "Anthropology: the ‘original’ of human nature" (79-93) die Spekulationen der Aufklärer hinsichtlich der zumindest von Thomas Hobbes aufgeworfenen Frage nach dem Ursprung der menschlichen Gesellschaft. Zur Beantwortung dieser Frage wurde u.a. das Verhalten zwischen Tieren und das Verhalten zwischen Mann und Frau analysiert und schließlich eine Theorie der unterschiedlichen Kulturstufen der menschlichen Gesellschaft entwickelt. Je nach vorherrschender Art der Nahrungsbeschaffung sind dies: Jäger und Sammler, Viehzüchter, Ackerbauern und schließlich Händler. En passant erfährt man im übrigen, dass Francis Hutcheson der "first consistent British theorist of animal rights" (84) war, und: "William Alexander wrote a history of women, and the relations between women and man figured […] in most of the Scottish arguments being considered here" (87).

Paul Wood untersucht in "Science in the Scottish Enlightenment" (94-116) die damalige Rolle der Wissenschaft und Medizin, insbesondere den Aufstieg der experimentellen Naturwissenschaft, der eng mit den Namen ‚Newton‘ und ‚Royal Society of England‘ verknüpft war. Während Stewart also die ‚Religion der Aufklärer‘ analysiert, beschäftigt sich Wood vor allem mit dem Newtonianer Colin MacLaurin, aber auch mit dem Mitbegründer der modernen Chemie, Joseph Black, und mit dem Galilei der Geologie, James Hutton. In dem Aufsatz von Wood findet sich auch ein Satz, der für ein Verständnis von Humes Enquiry concerning the Principles of Morals zentral ist: Wood betont, dass damals die Bedeutung des Begriffs utility oder usefulness, also ‚Nützlichkeit‘, umfassender als heute war: "In the Enlightenment, the concept of ‘usefulness’ encompassed both practical, economic benefit – also wie heute – and a sense of utility related to the moral and intellectual improvement of the individual" (103).

Heiner F. Klemme untersucht in "Scepticism and common sense" (117-135) Humes erkenntnistheoretische Zweifel sowie Reids Kritik daran. Dieses Dauerthema in Lehrveranstaltungen zur Epistemologie soll hier vielleicht nicht ausgebreitet werden, aber der Aufsatz enthält eine abschließende Bewertung der hintergründigen Motive der beiden Philosophen, die es verdient, hier zitiert zu werden: "Hume was at the same time fascinated and disturbed by paradoxes, and philosophy was for him a means not only to advance our knowledge in the moral sciences, but also a personal expedient to ease his mind by suspending judgement on subtle and sublime subjects. Reid never seemed to be disturbed in this way. Being a preacher and practising Christian, he started his philosophical journey on firm ground, wanting only to show that scepticism is altogether absurd" (132).

Luigi Turco untersucht in seiner Arbeit "Moral Sense and the foundations of morals" (136-156) die moral sense-Theorie bei Hutchseson, Hume und Smith sowie Reids Kritik daran. Fania Oz-Salzberger wiederum beschäftigt sich mit der politischen Theorie der Aufklärer ("The political theory of the Scottish Enlightenment", 157-177), die zwischen zwei Polen schwankte: zwischen dem antiken Republikanismus eines Andrew Fletcher (und später eines Adam Ferguson), und der Kritik Humes daran. Dessen zentrales Argument lautete, dass die neuen ökonomischen Bedingungen auch neue Werte mit sich brachten. So werde etwa der Luxus anders gesehen als zuvor. Während er in der antiken Republik als verpönt, geradezu als Wurzel allen Übels galt, wird dieser im Kapitalismus differenzierter gesehen: Luxus vermag nämlich manchmal die ökonomische Entwicklung auch zu beleben.

Andrew S. Skinner, einer der führenden Smith-Experten, untersucht in "Economic theory" (178-204) die damaligen Theorien zur Politischen Ökonomie. Besonders auffallend – und für den Aufstieg als Wissenschaft entscheidend – ist dabei der systematische Zugang, schon bei Hutcheson, aber vor allem bei Hume, James Steuart und, natürlich, bei Smith, dem "Vater der Wirtschaftswissenschaften" (J.Schumpeter).

Knud Haakonsson arbeitet in "Natural jurisprudence and the theory of justice" (205-221) die damalige Bedeutung von ‚Gerechtigkeit‘ heraus. Dieser Begriff sei, so der gelehrte Ausgangspunkt, weder "Platonic, Aristotelian, Thomistic, Kantian nor utilitarian", sondern Gerechtigkeit ist vielmehr "to be treated as a characteristic of the individual person" (205). Allerdings kamen die Schotten bezüglich der Frage, ob Gerechtigkeit nun eine natürliche oder eine künstliche Tugend sei, zu verschiedenen Ergebnissen. So meinte Hume, dass Gerechtigkeit nur aufgrund gewisser Umstände als Tugend gelte. Wären Menschen etwa unbegrenzt wohlwollend, so wäre ein gerechtes Verhalten nutzlos. Gerechtigkeit ist also eine erworbene, künstliche Tugend, deren Basis eine Konvention und kein moral sense ist (wie Hutcheson dachte). Aber Gerechtigkeit ist, so wie die menschliche Natur nun einmal beschaffen ist, eine notwendige Tugend, für das Funktionieren der Gesellschaft unerlässlich. Ein gerechtes Verhalten – und Hume verstand darunter primär ein rechtskonformes Verhalten - wird deshalb zur Pflicht, und ihr Fehlen ruft allgemeines Missfallen hervor.

John W. Cairns behandelt in "Legal Theory" (222-242) die Rechtstheorie der Aufklärer. Das Scots law, das sich im Gegensatz zum englischen Rechtssystem an das römische Recht anlehnte, blieb trotz der Vereinigung der Parlamente in Geltung. Aufgrund dieser speziellen Situation standen während des gesamten 18. Jahrhunderts Richter an der Spitze der schottischen Gesellschaft, während ihre Politiker im mehrere Tagesreisen entfernten London ihren Geschäften nachgingen.

Christopher J. Berry untersucht in "Sociality and socialisation" (243-257) die Antwort der Aufklärer auf die herausfordernde, vor allem von Hobbes aufgestellte These, dass der Mensch im Grunde ein selbstsüchtiges Wesen sei. Dagegen betonten die Aufklärer – mit besonderem Nachdruck der ‚Vater der Schottischen Aufklärung‘, Hutcheson – die soziale Natur des Menschen. Der Mensch sei schon lange zuvor, ehe er denken lerne, sozial gestimmt und das heißt: Es ist falsch, das soziale Leben allein als einen Prozess rationaler Kalkulation zu verstehen. In diesem Artikel kommt im übrigen, mehr als anderswo, Ferguson zu Wort.

Marray G. H. Pittoch untersucht in "Historiography" (258-279) insbesondere die Idee des historischen Fortschritts sowie die verschiedenen Stufen der ökonomischen Entwicklung. Wieder einmal leisteten die Schotten hier Pionierarbeit oder verarbeiteten fremde Ideen in besonders fruchtbarer Weise: "The historiography of the Scottish Enlightenment has had an unparalleled influence on the way history has been understood in the United Kingdom, North America and throughout the erstwhile British Empire" (258). Besonders in Humes History of England wird die vierte Stufe der gesellschaftlichen Entwicklung auch als die zivilisierteste angesehen – daher die zum Teil höchst unverständlichen Urteile über seine Landsleute in den Highlands, deren Wirtschaft sich irgendwo zwischen der zweiten und dritten Stufe der Entwicklung befand. Nicht zuletzt wegen dieser Idee des ökonomischen und zivilisatorischen Fortschritts fand Humes Geschichtsdarstellung im imperialistischen Großbritannien zahlreiche Leser. Neben Hume kommen in diesem Artikel auch William Robertson, Ferguson und John Millar zu Wort.

Alexander Broadie behandelt in seiner zweiten Arbeit ("Art and aesthetic theory", 280-297) schließlich die damaligen ästhetischen Theorien, insbesondere diejenigen von Hutcheson, Hume und George Turnbull. Humes kreativer Beitrag zu dieser Debatte besteht darin, dass er für eine ‚Expertenästhetik‘ plädierte, womit gemeint ist, dass er das ästhetische Prädikat folgendermaßen definierte: ‚schön ist das, was Experten als schön beurteilen‘. Natürlich taucht sogleich die Frage auf, wer denn überhaupt ein Experte sei. Diesen bestimmt Hume als jemanden, der Erfahrung und Praxis hat, der unparteiisch urteilen kann und der überdies imstande ist, Vergleiche mit anderen Kunstwerken herzustellen. Zudem fragt sich der Experte, ob das Kunstwerk dem beabsichtigten Zweck angemessen ist (ob etwa der Dichter seinen Text auf die Besonderheit der Hörerschaft abgestimmt hat oder der Pianist auf die Besonderheit der Akustik des Raumes etc.). Vor allem aber besitzt ein Experte ‚Sensibilität‘, also delicacy of sentiment, die nur möglich ist, wenn bei der Betrachtung eines Kunstwerks heftige Affekte hintangehalten werden. Erst dann werden die Zwischentöne hör- bzw. sichtbar. Diese Sensibilität ist also "excluded by strong emotion" (288). An einer Stelle fasst Hume, der gelegentlich strong emotions geradezu ausgeliefert war, seine Ideen in das Bild, dass manche Menschen nur die Stunden sehen, manche sehen auch die Minuten, aber manchen entgehen selbst die Sekunden nicht.

In den drei abschließenden Arbeiten wird der Einfluss der Schottischen Aufklärung beleuchtet. Michel Malherbe untersucht in "The impact on Europe" (298-315) die Wirkung auf das übrige Europa und geht ausführlich auf Übersetzungen ein – zurecht, da im 18. Jahrhundert wesentlich weniger Menschen als heute des Englischen kundig waren. Nur zwei eindrucksvolle Fakten seien herausgegriffen: (1) "A translation of Hutcheson’s A System of Moral Philosophy was made in 1756 by young Gotthold Lessing himself, and it attracted a wide readership." (2) Humes Treatise "was not translated into German until 1790-92, nor into French until 1878!" (300).

Samuel Fleishhacker untersucht in "The impact on America: Scottish philosophy and the American founding" (316-337) die Frage, ob die ‚Declaration of Independance‘ sowie die amerikanische Verfassung im Grunde eher ‚liberal‘ oder ‚civic republican‘ geprägt seien, wobei für ersteres eher die Engländer Hobbes und John Locke und ihr Individualismus stehen, und für das zweite die Schotten und die Betonung der geselligen Natur des Menschen. Fleishhackers These lautet nun, dass – alles in allem – die Unabhängigkeitserklärung und die Verfassung Amerikas eher schottische als englische Wurzeln haben. In den amerikanischen Universitäten der damaligen Zeit spielten die Moralphilosophie Hutchesons und die common sense-Philosophie Reids eine dominierende Rolle. Aber es war gerade auch die Rezeption von Reid, die dazu geführt hatte, dass mit Hilfe des common sense viele berechtigte Humesche Zweifel, gerade auch mit Blick auf die Religion, als "foolish or worse" galten (332). Es ist eine Ironie der Geschichte, und spricht zugleich für den Reichtum der Gedankenwelt der Schottischen Aufklärer, dass es ein Schotte war, der fast 200 Jahre lang in den Vereinigten Staaten die berechtigten Zweifel eines anderen Landsmannes zurückdrängte – wohl zum Schaden aller.

Gordon Graham untersucht schließlich in "The nineteenth-century aftermath" (338-350) die Philosophie im Schottland des 19. Jahrhunderts. Zu Beginn desselben war nicht Hume, sondern wiederum Reid der Maestro, und der von ihm dirigierte Tanz um den goldenen common sense führte dazu, dass die empiristisch-skeptische Tradition des 18. Jahrhunderts ein Ende fand. Zwischen der Hinwendung zum deutschen Idealismus und der Hinwendung zur empirischen Psychologie blieb kein Raum mehr für die Tradition der philosophischen Aufklärung. Der reiche Strom philosophischen Denkens in Schottland war im moral sense entsprungen und einige Jahrzehnte später im common sense zum Stillstand gekommen. –

Diese hervorragende Aufsatzsammlung, so interessant sie im Allgemeinen auch ist, hat allerdings auch einige Schwächen, die kurz angedeutet seien:

1. Man erfährt einiges von den ökonomischen und geistigen Umständen, in der die Aufklärer lebten und dachten, insbesondere vom Aufstieg der Wissenschaften und der natürlichen Religion (diese waren im übrigen eng miteinander verknüpft, denn die Deisten wollten Religion und wissenschaftliches Denken versöhnen. Für sie waren die von Wissenschaftlern entdeckten Gesetze die Gedanken Gottes). Aber die damalige Lebenswelt war um einiges komplexer als diese Anstiege, und man erfährt wenig über die Gegner der Aufklärung, weshalb die Grenzen kaum konturiert sind. Zum einen waren es die verschiedenen calvinistischen Kirchen, die insbesondere außerhalb der kleinen Zentren der Aufklärung auf dem Gebiet der Weltanschauung weiterhin dominierten. Und selbst in der Hauptstadt waren sie so einflussreich, dass calvinistische Gottesgelehrte beispielsweise eine Universitätskarriere David Humes verhindern konnten. Zum zweiten gab es noch einen anderen mächtigen Kontrapunkt zur Aufklärung, der auf spätere Literaten, insbesondere auf Walter Scott, einen nachhaltigen Eindruck machte und schließlich die europäische Romantik einläutete, deren Echo gerade in Deutschland gehört wurde: James MacPhersons Lieder Ossians. Seit etwa 1760, also am Höhepunkt der Aufklärung, gab es unter Berufung auf alte Werte, die zumindest virtuell in den verschiedenen Hochland-Clans gepflogen wurden, einen Widerstand gegen die aufgeklärten Salons in den Städten.

2. Während man Grundlegendes zum Kontext und einiges zur Wirkung der Schottischen Aufklärung erfährt, lernt man wenig über deren Ursprung. Dabei wäre gerade dieser Punkt – auch für nicht unmittelbar an dieser Zeit Interessierte – aufschlussreich gewesen. Denn, um im Europa der Neuzeit zu bleiben, die Aufklärung in Edinburgh und Glasgow ist vergleichbar mit dem Florenz der Medici, dem Paris der Enzyklopädisten oder dem Wien (und Berlin) der Jahrzehnte vor und nach der Wende zum 20. Jahrhundert. Was also sind die Ursachen dafür, dass es an bestimmten Orten zu einer bestimmten Zeit geradezu zu einem Ausbruch an Kreativität kommt?

Da die These vom unfassbaren Geist, ‚der einfach weht, wo er will‘, also das Dogma von der unbefleckten Ideenempfängnis, nicht übermäßig plausibel ist, stellt sich die Frage nach den natürlichen Bedingungen, unter denen neue Ideen entstehen und wann diese realisiert werden, also auf fruchtbaren Boden fallen. Diese Fragen werden bestenfalls am Rande gestellt, wahrscheinlich noch am deutlichsten bei Emerson, der zurecht den überragenden Wert der Erziehung in der schottischen Gesellschaft betont. Er gibt dafür folgende Erklärung: "Scottish interest in education […] rested on the fact that people, particularly men, had to leave to make a living" (11). Aber Männer, die sich anderswo den Unterhalt verdienen mussten, gab es nicht nur in Schottland. Die Tatsache, dass ‚people, particularly men, had to leave to make a living‘, erklärt also nicht das besondere ‚schottische Interesse an Erziehung‘. Ursache dafür war wohl der Reformator John Knox, der mit besonderer Vehemenz darauf pochte (und dies in geschichtsmächtigen Schriften niederlegte), dass die letzte Autorität, nämlich das Wort Gottes, von jedem Einzelnen selbst befragt werden könne. Dies setze aber eine allgemeine Erziehung voraus.

3. Zurecht wird mehrfach betont, dass es damals geradezu eine Freude an Systematisierung gab – man denke nur an das Scots Law, an Humes Treatise und an Smiths Wealth of Nations. Die Frage, was die Ursachen dafür sein könnten, wird aber nicht gestellt. Wiederum dürfte der aufgeklärte systematische Geist seine Wurzel im systematischen Calvinismus schottischer Provenienz haben (ebenso dürfte der englische Empirismus und der spätere logische Empirismus und damit die analytische Philosophie nicht zuletzt vom englischen common law, also der Konzentration auf den Einzelfall beeinflusst sein).

4. Zurecht wird die zentrale Rolle der Wissenschaft betont und damit der Trevor-Ropersche Ansatz erweitert. Aber es wäre einfach gewesen, eine Brücke zwischen den beiden Erklärungsversuchen zu bauen, indem nämlich untersucht wird, ob und inwieweit die Politische Ökonomie von Hume, Steuart und Smith wissenschaftlich geprägt war. Zudem gab es gerade in diesem Punkt – Politische Ökonomie und Wissenschaft – sehr enge persönliche Bindungen: Der Naturforscher Joseph Black, der Entdecker des Kohlendioxids, war ebenso wie der Geologe James Hutton ein Freund Smiths, und sie waren sogar dessen Nachlassverwalter. Und James Watt, der Erfinder der universell einsetzbaren Dampfmaschine, arbeitete als Werkzeugmacher zur selben Zeit an derselben Universität, als Smith Professor für Moralphilosophie war. Smiths Lehre vom Freihandel, vom ‚freien Spiel der Kräfte‘, dürfte sogar mit dem Schicksal seines Freundes Watt – der, obwohl Schotte, in Glasgow nicht arbeiten durfte, weil er in London ausgebildet worden war – in direktem Zusammenhang stehen.

5. Wohl kein anderes Mitglied der Schottischen Aufklärung ist in der Öffentlichkeit so bekannt wie Smith und wird zugleich, wie vielleicht überhaupt kein anderer Philosoph, so verzerrt wahrgenommen. Auf der einen Seite gilt er als der ‚Apostel des Neoliberalismus‘ und auf der anderen Seite weisen Smith-Forscher ständig darauf hin, dass es sich bei Smith um einen sehr komplexen Denker handelt, der allein schon mit seinen Analysen zur ‚Unparteilichkeit‘ und ‚Sympathie‘ weit über gängige neoliberale Klischees hinausführt. Gerade in einer Aufsatzsammlung zur Schottischen Aufklärung würde man einen Artikel zum ‚ganzen‘ Smith erwarten, insbesondere auch zu Smiths fast unbekannter Sprachphilosophie. Diese ist m.E. ebenso interessant wie seine Politische Ökonomie und Moralphilosophie. Mit ihr würde endgültig klar, dass Smith kein schmächtiger ‚Vater des Neoliberalismus‘, sondern eher ein moderner Aristoteles war (vgl. G. Streminger, "Adam Smiths Sprachphilosophie". In: Der natürliche Lauf der Dinge. Essays zu Adam Smith und David Hume. Marburg 1995, 111-158).

6. Die Schärfe der Humeschen Religionskritik wird oft heruntergespielt, so auch in dem Aufsatz von Stewart (als handle es sich beim Humeschen Zweifel primär um eine intellektuelle Dehnübung). So schreibt Stewart abschließend: "In challenging the basis of belief in miracles, Hume did not expect to eradicate the belief, and when he exposed the logical weakness of ‘philosophical’ theism he did not expect to eradicate religious attitudes." Der Grund, weshalb Hume gar nicht erwartet hatte ‚to eradicate religious attitudes‘, liegt laut Stewart in dessen "Calvinist upbringing", das ihn gelehrt hatte, "to believe in deep irrationalities in human nature" (47).

Stewart hat insoweit recht, dass allen Humeschen Aussagen über die Veränderbarkeit der menschlichen Natur ein milder Zweifel anhaftet, da er besonders deutlich um die Macht der Gewohnheit wusste. Aber diese Macht geht nicht so weit, dass Hume jede Änderung der religiösen Einstellung durch philosophische Einsichten a priori für unmöglich hielte. Vielmehr hat Hume, wie alle anderen Aufklärer auch, für eine Gesellschaft plädiert, deren Werte, Traditionen und Institutionen rational legitimiert sein müssen. Wie schon der Titel der 1757 veröffentlichten Natural History of Religion nahe legt, ist die Religion für Hume natürlichen und nicht über-natürlichen Ursprungs, und das heißt: Sie entsteht unter gewissen natürlichen Bedingungen – Furcht und Zukunftsängste –, bei deren Abnahme auch die Religion abnimmt. Und die History of England ist voller Entrüstung, geradezu Abscheu gegenüber enthusiastischen und abergläubischen Formen der Gottesverehrung. Eben diese müssen, so die Humesche Botschaft, aufgegeben werden, da sie den Frieden in der Gesellschaft bedrohen und die moralischen Empfindungen zerstören (vgl. G. Streminger, "Religiosität eine Gefahr für Moralität? Bemerkungen zu einem kaum beachteten Aspekt der Humeschen Religionsphilosophie". Aufklärung und Kritik 1 (1994): 28 ff.). Trotz mancher Skepsis hielt Hume eine Aufgabe religiöser Einstellungen natürlich für möglich, wie er ja auch selbst, wenn auch mit einigen Schwierigkeiten, sich von den Dogmen des Calvinismus befreit hatte.

Gerhard Streminger

Publiziert in:

Sterminger, Gerhard: Rez. zu Alexander Broadie (Hrsg.): The Cambridge Companion to the Scottish Enlightenment. In: Archiv für Geschichte der Philosophie 86 (2004), S.339-346.