Rezension zu:

David Hume
von Gerhard Streminger
rororo Monographien Nr. 357, Rowohlt Verlag, Reinbek 1986. 158 S., kt.

 

Das Zeitalter Humes
Bildmonographie über Leben und Werk des schottischen Aufklärers

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 02.07.1987
von Gabriele Mayer

Gerhard Streminger, der zusammen mit Ernst Topitsch bereits für den Hume-Band der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft (erschienen 1981) verantwortlich zeichnete, füllt mit seiner Rowohlt-Monographie eine Lücke – und zwar auf vorbildliche Weise: knapp, informativ, verständlich. Der Leser wird mit den Voraussetzungen und Verlaufsformen zumal der schottischen Aufklärung vertraut gemacht – die, gemessen an der bleibenden Wirkung und nicht an den Tagesaufgeregtheiten, vielleicht sogar wichtiger war als die französische: gedacht sei neben Hume etwa an Adam Smith, aber auch an Francis Hutcheson und Adam Ferguson. Aus dem Bändchen erfährt man alles Wesentliche über die Umgebung, die Lebensbedingungen und damit auch die Denkvoraussetzungen des Philosophen. Die einzelnen Werke – vom "Treatise", dem genialen "Wurf" des jungen Mannes, der ohne Resonanz blieb und von Hume später wie ein Steinbruch ausgebeutet wurde, bis zur monumentalen Geschichte Englands – werden von Streminger souverän dargestellt.

Deutlich wird dabei, daß Hume in seiner Zeit vor allem als politischer Essayist und Historiker geschätzt wurde, als ein Vorläufer bürgerlichen Selbstbewußtseins. Seine Argumentation war stets prägnant und doch moderat, auf Ausgleich bedacht, er selbst war fortschrittsgläubig und wie die meisten seiner bedeutenden Zeitgenossen kämpferisch und antiklerikal. Die interessenbestimmte Parteimeinung machte er, wie vor ihm schon Thomas Hobbes, für den gesellschaftlichen Unfrieden bis hin zum Bürgerkrieg verantwortlich und suchte sie durch Objektivität, durch das vernünftige Urteil des von den Positionen gleichen Abstand wahrenden Beobachters zu ersetzen. Das Ziel der westlichen Kultur und Zivilisation sah er in der Ablösung des Zustands der Anarchie durch ein Gleichgewicht von Autorität und Freiheit im Verfassungsstaat.

Für uns wichtiger ist aber der Erkenntnistheoretiker und Ethiker Hume. Der Anti-Dogmatiker, der sich den Spruch Epicharms "Bleibe nüchtern und erinnere dich daran, skeptisch zu sein" zur Lebensmaxime wählte, hatte mit seiner Analyse des Kausalverhältnisses die Grundlagen der alten Metaphysik erschüttert und der Kantschen Kritik den Weg bereitet. Sein konsequenter Empirismus, verbunden mit der logischen Schärfe, die ihm zu Gebote stand, avancierte gleichsam zur natürlichen Philosophie des wissenschaftlichen Zeitalters. Man denke nur an den Einfluß, den er auf Ernst Mach ausübte, oder an die Tatsache, daß Albert Einstein gerade in seiner kreativsten Schaffensperiode gemeinsam mit anderen Gelehrten Humes "Traktat" erörterte.

Noch populärer wurde Hume aber, zumindest in der Diskussion der vergangenen Jahre und Jahrzehnte, durch sein Diktum, daß sich Normen und Wertaussagen nicht aus Tatsachenfeststellungen logisch herleiten lassen, daß also der ethische Diskurs ein eigener (und eigenen Gesetzmäßigkeiten folgender), unabhängig neben dem (natur-)wissenschaftlichen, sei. Eine These, die sicher nach wie vor wichtig ist, aber nicht isoliert werden sollte. Streminger stellt sie in den Kontext der Humeschen Moralphilosophie, welche die in der "Sozialität" des Menschen verankerte Sympathie, das Wohlwollen für andere, als zweiten Grundbegriff neben dem Egoismus (an)erkennt.

Schließlich macht er mit dem Anthropologen, Kulturhistoriker, ja dem (ersten) Religionssoziologen und -psychologen Hume vertraut, der in der heutigen Hume-Diskussion – die sich hauptsächlich im Rahmen der analytischen Philosophie abspielt – oft zu kurz kommt oder gar verdrängt wird.

GABRIELE MAYER

Gerhard Streminger: "David Hume". rororo Monographien Nr. 357, Rowohlt Verlag, Reinbek 1986. 158 S., kt.