Rezension zu:

Adam Smith. Rowohlts Bildmonographie
von Gerhard Streminger
Bd. 440, 158 S. Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg

 

Verbesserung der Natur
Gerhard Streminger über Adam Smith

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 04.08.1989
von Ralf Konersmann

"Ein fleißiger Schurke bebaut den Boden, ein guter, nachlässiger Mensch läßt ihn unbebaut. Wer von beiden soll die Ernte einheimsen?" Adam Smith schätzte solche Problemfälle. Sie deuten auf das zentrale Motiv, das sich wie ein roter Faden durch sein umfangreiches Lebenswerk zieht, nämlich auf die Klärung des Verhältnisses von Reichtum und Verdienst, von Ökonomie und Ethik. Wie, so fragt er, ist eine freie Gesellschaft möglich, in der jeder sein gerechtes Auskommen findet?

Weit davon entfernt, den Dingen ihren Lauf lassen zu wollen, ruft Smith dazu auf, die soziale Welt im Einklang mit ihren Gesetzen zu gestalten. Und da diese Gesetze unbekannt sind, enthält sein Appell auch ein Forschungsprogramm. "Der natürliche Lauf der Dinge", antwortet Smith auf seine Ausgangsfrage, "entscheidet zugunsten des Schurken, die Empfindungen der Menschen entscheiden naturgemäß zugunsten des Tugendhaften. So werden Menschen durch die Natur selbst angeleitet, jene Verteilung der Dinge in gewissem Maße zu verbessern, die sie selbst sonst vorgenommen hätte." Das ist ein stolzes Bild: Im Menschen korrigiert die Natur sich selbst. Und nichts anderes als das Mitgefühl, die natürliche Mitgift der "Sympathie", hindert die Menschen daran, übereinander herzufallen.

Stremingers Lebensbeschreibung motiviert diesen kühnen Entwurf vor dem Hintergrund der sozialen Umbrüche des 18. Jahrhunderts, die gerade auch an den Universitäten Schottlands spürbar waren. Ihre Erfolge verdankten sie freilich nicht zuletzt der Bereitschaft, die religiös begründeten Bedenken der alten Gesellschaft aufzugreifen, etwa die tiefsitzenden Zweifel an der moralischen Vertretbarkeit des neuen wirtschaftlichen Reichtums. Hier knüpfte Smith an. Stremingers sorgfältige Biographie porträtiert den jungen Gelehrten, der mit seiner "Theorie der ethischen Gefühle" triumphal debütiert, sie zeigt den Bürger von Kirkcaldy, der in jahrelanger Zurückgezogenheit den "Wohlstand der Nationen" niederschreibt, und sie zeigt den Kosmopoliten. Mit leichter Hand werden die zentralen Begriffe der Hauptwerke skizziert.

Fontane behauptet einmal, in sechs Alten Fritzschen Anekdoten stecke mehr vom Alten Fritz als in den Staatspapieren seiner Zeit. Es macht den Reiz dieser Smith-Biographie aus, daß sie einiges von solcher Liebe zur Kleinmalerei bewahrt. Und wie auch anders? Hat nicht Smith selbst einmal bemerkt, der winzigsten Verrichtung eines großen Mannes sei stets ein breites Interesse gewiß? Mit Freude und Genugtuung, so heißt es, nahm Smith zur Kenntnis, daß Milton seine Schuhe nicht mit Schnallen geschlossen habe, sondern mit Riemchen.

RALF KONERSMANN

Gerhard Streminger: "Adam Smith". Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 1989. 158 S., br.