VON DER GÜTE GOTTES UND DIE LEIDEN DER WELT.
EIN ÜBERBLICK ÜBER DAS THEODIZEEPROBLEM
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Aus: Aufklärung und Kritik 1/2003, S. 11 ff.


I. Einleitung

Arthur Schopenhauer buchstabierte >Welt< so: Weh, Elend, Leid, Tod, womit er nicht nur in prägnanter Form seinen eigenen Pessimismus zusammenfaßte, sondern auch ein prophetisches Wort sprach. Denn auf das Jahrhundert, in dem er lebte, dürfte sein dusteres Alphabet noch weniger zugetroffen haben als auf das kommende, mit den Erfahrungen zweier Weltkriege und den Bedrohungen, die sich wie ein schwarzes Gewölk über uns zusammenbrauen. Brächte man Menschen die Leiden vor Augen, die sie erwarten könnten (und die sie teilweise noch erleiden werden), packte die allermeisten das Grauen. Diese Welt des Verlangens, des Schmerzes, des Alterns, der Krankheit, des Todes und der apokalyptischen Ängste soll die Schöpfung eines allmächtigen und allgütigen Gottes sein? Viele Philosophen haben mit dieser Frage gerungen, und es gibt wohl keinen Theologen, den dieses Problem nicht ernsthaft bedrängt hätte, stellt es doch die Gültigkeit aller Argumente, die für die Existenz eines sittlich vollkommenen Gottes sprechen könnten, in fundamentaler Weise in Frage.
Das Problem der Güte und Barmherzigkeit Gottes angesichts der Leiden der Welt kann folgendermaßen präzisiert werden: Fraglich ist, ob die folgenden vier Behauptungen miteinander verträglich sind, ob also jemand, der alle vier für wahr hält, sich damit einem logischen Widerspruch aussetzt oder nicht:
 

  1. Es gibt EINEN Gott, ein personales Höchstes Wesen, das die Welt erschaffen hat.
  2. (Dieser) Gott ist allmächtig, allgütig und allwissend.  ER ist das summum bonum [das höchste Gut].
  3. Etwas, das selbst gut ist, würde etwas anderes, das schlecht oder übel ist, nach Möglichkeit verhindern oder eliminieren.
  4. Es gibt in der Welt Leid.


Die drei großen monotheistischen Religionen stimmen in den beiden theologischen Behauptungen, also in den Prämissen I und II, weitgehend überein. So beginnen Muslime ihre Gespräche mit jenen Worten, mit denen auch jede Sure im Koran beginnt, nämlich mit der Anrufung des gütigen Gottes: >Im Namen Allahs, des Erbarmers und Barmherzigen!< Und der große deutsche Philosoph Leibniz war, gewiß als Ergebnis einer langen Reflexion, zur Meinung gekommen: "Nichts ist größer als die Weisheit Gottes, nichts gerechter als seine Urteile, nichts reiner als seine Heiligkeit und nichts unermeßlicher als seine Güte."
Die allermeisten Vertreter des mosaischen, des christlichen und des muslimischen Glaubens sind also überzeugt, daß Gott über bestimmte positive Eigenschaften in vollkommenem Maße verfügt. Mag es auch um die Wahrheit anderer Teile der religiösen Lehre großen Streit geben, über folgende Bestimmungen der Eigenschaften Gottes dürften sich die allermeisten Theisten problemlos verständigen können:
Allmacht: Macht ist die Fähigkeit, nach eigenem Gutdünken einen Zustand belassen oder verändern zu können. Ein Wesen besitzt Macht, wenn es diese Fähigkeit hat, und ein Wesen besitzt Allmacht (oder: >ist ein allmächtiges Wesen<), wenn es Macht über alle Zustände, die möglich sind, hat. >Allmacht< bedeutet zumindest, daß Gott alles das, was keinen logischen Widerspruch enthält, schaffen oder verändern kann. ER kann machen, daß es regnet, wenn es ihm beliebt, oder daß die Erde zu einem Würfel wird, wenn er dies möchte. "Alle Dinge sind möglich bei Gott", heißt es prägnant im Evangelium (Mk 10.27).
Allwissenheit: Jemand ist allwissend, wenn er alles weiß, was wißbar ist, kurz: was geschehen ist, was geschieht, was geschehen wird und was geschehen könnte. Die Eigenschaft der Allwissenheit dürfte bereits im Begriff der Allmacht enthalten sein, denn ein Wesen, dem es an Wissen fehlt, fehlt es auch an Macht. Ist ein Wesen hingegen allmächtig, so ist es auch allwissend.
Allgüte: Ein Wesen, das gut ist, will und tut Dinge, die gut sind; und ein Wesen, das vollkommen gut ist, will und tut immer nur Dinge, die gut sind. Gibt es auch erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber, was überhaupt gut ist, so dürften die allermeisten folgender Minimaldefinition, die von David Hume stammt und in seiner Untersuchung über die Prinzipien der Moral zu finden ist, zustimmen können: Eine Handlung ist gut, wenn sie dem Wohlwollen entspringt und dem Gemeinwohl dient. Der Allgütige setzt nur Handlungen dieser Art.
Trotz aller Unterschiede hinsichtlich anderer Teile der Lehre glauben also die allermeisten Theisten, daß Jahwe bzw. Gott bzw. Allah aufgrund seiner Weisheit die beste Welt erkannt, daß er sie aufgrund seiner Güte gewählt und daß er sie schließlich aufgrund seiner Macht geschaffen hat.
 

II.  Attraktivität und grundsätzliche Schwierigkeit des traditionellen Gottesbildes

Bei der Lehre, daß es EINEN, mit den bekannten Vollkommenheitsprädikaten ausgestatteten Gott gibt, handelt es sich ohne Zweifel um ein durchaus interessantes, ja attraktives Gottesbild. Denn ein solcher Gott wäre auch Garant für eine künftige Gerechtigkeit, und die Hoffnung, daß es den Verdammten auf Erden wenigstens im Jenseits besser ergehen möge, wird kaum jemanden völlig kalt lassen. Zudem gilt: Wäre der Schöpfer sittlich vollkommen und allmächtig, so könnte mit gutem Recht geschlossen werden, daß alle Leiden der Welt gerechtfertigt wären, da hinter allem Geschehen ein wohlwollender Plan stünde. Existierte also ein mit den üblichen Vollkommenheitsprädikaten ausgestattetes Schöpferwesen, so folgte daraus die Sinnhaftigkeit allen Leids, da es keine Wirklichkeit gäbe, die der göttlichen Souveränität nicht unterworfen wäre.
Will man also an den Vorstellungen festhalten, daß es eine künftige ausgleichende Gerechtigkeit gibt und daß alles Leid gerechtfertigt ist, weil sich dahinter ein weiser Plan verbirgt, dann muß Gott selbst gütig, gerecht, mächtig, wissend und wohlwollend sein - also gerade so, wie in den drei monotheistischen Religionen behauptet.
Aber dieses Gottesbild, so attraktiv es aufgrund der soeben skizzierten Konsequenzen auch sein mag, wirft zumindest ein entscheidendes Problem auf: Mit der Wirklichkeit scheint es nicht verträglich zu sein. Denn Menschen erleben die Welt nicht als eindeutig gut, sondern als gegensätzlich, als ambivalent, also als eine Quelle des Schmerzes einerseits und als eine Quelle der Freude andererseits. Mit großer Deutlichkeit hat Hume auf diesen Umstand aufmerksam gemacht: "In steter Ungewißheit schweben wir zwischen Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit, Überfluß und Mangel ... Stürme und Unwetter vernichten, was unter der Sonne gedeiht ... Der Krieg kann für eine Nation günstig sein, die durch die Mißgunst der Jahreszeiten von einer Hungersnot heimgesucht wird. Krankheiten und Seuchen können ein Königreich inmitten des üppigsten Überflusses entvölkern ... Und eine Nation, die jetzt über ihre Feinde triumphiert, muß sich vielleicht schon bald deren erfolgreicheren Waffen unterwerfen."
Aufgrund der Attraktivität der Konzeption eines Wesens, das alle positiven Eigenschaften in höchstem Maße in sich vereint, haben nun zahllose Theologen und Philosophen versucht, die entscheidende Schwierigkeit dieses Gottesbildes zu lösen; und diese ist die Frage nach der Vereinbarkeit der angeblichen Eigenschaften Gottes mit den faktisch vorhandenen Leiden der Welt. Zurecht sind Theisten nicht gewillt, die Tragweite des soeben angesprochenen Problems dadurch herabzumindern, daß sie Gottes Eigenschaften einfach einschränken. Denn jede Einschränkung verringert die Attraktivität des Gottesbildes. Und sollte die Vereinbarkeit der postulierten Güte und Weisheit Gottes mit den Leiden der Welt tatsächlich gezeigt werden können, so wäre das Gottesbild, wie es den Prämissen I (>Es gibt EINEN Gott, ein personales Höchstes Wesen, das die Welt erschaffen hat.<) und II (>Dieser Gott ist allmächtig, allgütig und allwissend.<) zugrundeliegt, ohne Zweifel sogar äußerst attraktiv.
Alle Versuche nun, die Güte Gottes angesichts der Leiden in einer von IHM abhängigen Welt zu rechtfertigen, heißen seit Leibniz Theodizeen [von gr. theos, >Gott<, und gr. dike, >Gerechtigkeit<]. Der Ausdruck >Theodizee< wurde von Leibniz erstmals 1697 in einem Brief an die Königin Sophie Charlotte von Preußen verwendet.  Eine Theodizee ist also, um dies nochmals zu wiederholen, >die Rechtfertigung der Güte Gottes angesichts des Leids in einer von IHM abhängigen Welt<, oder in den Worten Kants: „die Vertheidigung der höchsten Weisheit des Welturhebers gegen die Anklage, welche die Vernunft aus dem Zweckwidrigen in der Welt gegen jene erhebt." Diese Anklage erfolge nach Kant völlig zurecht, da der Mensch "als ein vernünftiges Wesen berechtigt ist, alle Behauptungen, alle Lehre, welche ihm Achtung auferlegt, zu prüfen, ehe er sich ihr unterwirft, damit diese Achtung aufrichtig und nicht erheuchelt sei."
Sobald man an die Existenz Gottes glaubt und diesem Glauben ein Gottesbild wie etwa das christliche zugrundelegt, wird eine >Rechtfertigung Gottes< in der Tat unausweichlich: Denn wie verträgt sich etwa die Lehre von der Allursächlichkeit Gottes - „von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge"(Röm 11.36) - mit der Existenz von Leid? Wie kann ER, der sowohl allmächtig als auch allwissend als auch allgütig ist, sinnloses Leid geschaffen haben oder auch nur zulassen?
Trotz gewisser Unterschiede im Detail behaupten die meisten Gläubigen, daß eine Theodizee gelingt, daß also gezeigt werden könne, daß die oben angeführten Prämissen I-IV miteinander verträglich sind. Der Einfachheit halber seien sie >Theisten< genannt, während jene, die die Vereinbarkeit der Prämissen I-IV leugnen, >Skeptiker< heißen mögen. Diese, also die Skeptiker, meinen, daß Theisten, wollen sie sich keinem Widerspruch aussetzen, zumindest eine der vier Behauptungen preisgeben müssen. Die skeptische Position hatte bereits Epikur treffend zum Ausdruck gebracht: Ist Gott "willens, aber nicht fähig, Übel zu verhindern? Dann ist er ohnmächtig. Ist er fähig, aber nicht willens? Dann ist er boshaft. Ist er sowohl fähig als auch willens? Woher kommt dann das Übel?"
Im 18.Jahrhundert, manchmal auch >Jahrhundert der Theodizeen< genannt, nahm unter Skeptikern dieses Problem in folgender Gestalt beinahe den Rang eines Gegenbeweises zu den klassischen Gottesbeweisen ein:
 

  1. Wenn der christliche Gott existiert, so weiß er aufgrund seiner Allwissenheit um die Existenz von Übeln.
  2. Aufgrund seiner Allmacht kann er sie verhindern.
  3. Aus der Existenz Gottes folgt die Nicht-Existenz von Übeln und aus der Existenz von Übeln die Nicht-Existenz Gottes.
  4. Es gibt Übel. Also existiert der christliche Gott nicht.


Obwohl der erste Anschein eher für die skeptische Position spricht, ist nicht ohne weiteres einzusehen, ob die Prämissen I-IV logisch miteinander verträglich sind oder nicht. Wäre dem nicht so, dann hätten wohl kaum unzählige Menschen zumindest seit Hiob mit dieser Frage gerungen. Sollte jedoch das Scheitern der bisherigen Theodizeen gezeigt werden können, so spräche dies dafür, daß es einen Gott gibt, der auch negative Eigenschaften in sich vereint, oder daß es viele, gute und böse Götter gibt, die um das Schicksal der Menschen ringen - oder daß die Welt einfach das Produkt des Zufalls oder eines Gottes ist, der sich - nach getaner Arbeit - erneut behaglich mit sich selbst beschäftigt.
Aber für jede dieser Möglichkeiten gilt, daß die Vorstellung einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits und die Behauptung der Sinnhaftigkeit allen Leids aufgegeben werden müßte. Die Meinung, die Kant zu diesem Thema hatte, geht prägnant aus dem Titel seiner Schrift hervor: Über das Mißlingen aller philosophischen Versuche in der Theodicee. Aber wenige Jahre später charakterisierte Hegel seine Philosophie der Geschichte erneut als eine Theodizee, "so daß das Übel in der Welt begriffen, der denkende Geist mit dem Bösen versöhnt werden sollte". Nach Hegel ist es "[d]as letzte Ziel und Interesse der Philosophie ..., den Gedanken, den Begriff mit der Wirklichkeit zu versöhnen. Die Philosophie ist die wahrhafte Theodizee ..."
 

III.  Gerechtfertigtes und    ungerechtfertigtes Leid

Nachdem die grundsätzliche Attraktivität des traditionellen Gottesbildes, aber auch die entscheidende Schwierigkeit desselben aufgezeigt wurde, soll nun die Frage beantwortet werden, wann Leid gerechtfertigt bzw. ungerechtfertigt ist  - wobei gerechtfertigtes Leid mit der Güte Gottes vereinbar, ungerechtfertigtes Leid mit der göttlichen Güte unvereinbar ist.
Angenommen, ein Chirurg ist mit der Frage konfrontiert, ob er an einem Patienten eine Operation vornehmen solle oder nicht. Wann ist die Operation, also die Erzeugung von Leid, gerechtfertigt? Antwort: Die Operation ist dann gerechtfertigt, wenn zumindest die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind:
(a) Die Operation wird - bei bestem Wissen - zu einem Gut führen, wobei dieses Gut das Leid, das durch die Operation verursacht wird, bei weitem überwiegt; wenn also die Schmerzen der Operation in bezug auf die zu erwartenden Freuden (der Gesundheit) gering sind.
(b) Das Gut kann auf keine andere Weise, etwa durch harmlose Medikamente, bewirkt werden.
Ein Chirurg ist also gerechtfertigt, eine Operation vorzunehmen, wenn die Operation mit großer Wahrscheinlichkeit die Lebensumstände des Patienten wesentlich verbessern wird, und dieses Ziel auf keine andere, weniger leidvolle Weise erreicht werden kann.
Das Kriterium, das gerechtfertigtes von ungerechtfertigtem Leid zu unterscheiden erlaubt, lautet somit: Ein bestimmtes Leid ist dann gerechtfertigt, wenn es zu einem Gut führt, das auf keine andere Weise erreicht werden kann, wobei das Gut proportional wesentlich größer ist als das Leid. Diesem Kriterium zufolge ist, um ein weiteres Beispiel zu nennen, ein Feuerwehrmann berechtigt, jemandem einen schmerzhaften Stoß zu versetzen, wenn er ihn auf diese Weise vor einem herabfallenden Balken retten kann.
Nun scheint es in dieser Welt sowohl gerechtfertigtes als auch ungerechtfertigtes Leid zu geben. Ungerechtfertigt ist Leid dann, wenn es zu keinem höheren Gut führt oder wenn dieses Gut auf andere, nämlich schmerzlosere Weise erreicht werden kann. Übel sei im folgenden jenes Leid genannt, das nicht gerechtfertigt ist (>Leid< und >Übel< sind also im folgenden keine synonymen Begriffe!). Zwar erleben die allermeisten Menschen Leid als negativ, aber bei näherer Betrachtung zeigt sich, daß ihm auch eine positive Funktion zukommen kann: Dann nämlich, wenn es unerläßlich ist zum Erlangen eines höheren Gutes. Für viele Formen von Leid scheint dies jedoch nicht zu gelten. Diese Übel sind die eigentliche Herausforderung für Theisten, da sie der Annahme eines gütigen und weisen Gottes widersprechen.
"Der ordnungstheoretische Zugang", so meint der Theologe Hermann Häring, "kann an Alltagserfahrungen anknüpfen und lebenspraktische Maximen des Alltags aufnehmen ... Es ist geradezu lebensnotwendig, unser Tun und Erleiden in umfassendere Zusammenhänge einzuordnen. Ungezählte Erscheinungen des Alltags, die schmerzhaft oder zerstörend wirken, sind im Rahmen umfassenderer Funktionssysteme immer schon akzeptiert, weil sie als unausweichlich oder als nützlich und lebensnotwendig gelten. Auf zahlreiche Beispiele ließe sich verweisen. Nicht nur die Übergänge zwischen Gift und Medizin sind fließend. Auch der Schmerz kann vor größerem Schaden behüten. Leid und Entbehrung führen oft genug zur größeren Reife. Was zudem den einen niederdrückt, richtet den anderen auf ... Die Frage nach der Gesamtordnung hilft, den Normalablauf eines in Regelerfahrungen integrierten und stabil gehaltenen Lebens zu verstehen. Für Grenzerfahrungen aber und den Zusammenbruch ganzer Regelsysteme, für Tod und Vernichtung Betroffener, für das Grauen der menschlichen Geschichte bietet sie nicht das angemessene Instrumentarium, weil dann ihre eigenen Voraussetzungen in Frage stehen. Auschwitz einer ästhetischen Betrachtungsweise zu unterziehen, wäre blanker Zynismus."
 

IV.  Lösungsversuche des Theodizeeproblems

Theisten versuchen nun die fundamentale Erfahrung, daß es in dieser Welt ungerechtfertigtes Leid gibt, in der Weise zu zerstreuen, daß sie zeigen, daß auch die zunächst als Übel geltenden Formen von Leid in Wirklichkeit gerechtfertigt sind, da auch sie zur Verwirklichung eines höheren Gutes dienen.
Konkret lassen sich nun innerhalb der klassischen Theodizeen zwei Gruppen von Lösungsversuchen unterscheiden: Entweder wird durch Zusatzannahmen, die im Hinblick auf die zur Diskussion stehende Vereinbarkeit der Prämissen I-IV so etwas wie eine >Brückenfunktion< haben, die Vereinbarkeit der vier Thesen zu erweisen gesucht, oder es wird durch Interpretation bzw. Modifikation der Prämissen II-IV das Problem zu >umgehen< versucht. Ein Beispiel der zweiten Art ist die Privationslehre, derzufolge es überhaupt kein Übel, sondern nur einen Mangel an Gutem gäbe. Ein Beispiel der ersten Art ist die Annahme, daß die Welt trotz allen Leids insgesamt gesehen eine gute, ja die bestmögliche sei, da alles Leid im Wege des Kontrastes zur Verwirklichung des Kunstwerks Erde diene.
 

BRÜCKENANNAHMEN

Zunächst zu den Brückenannahmen. Meines Wissens wurden in der Geschichte des Theodizeeproblems folgende Brückenannahmen (sowie Kombinationen dieser) zur Rechtfertigung von Leid und damit, in weiterer Folge, zur Rechtfertigung der Güte Gottes vorgebracht. An dieser Stelle etwas verkürzt dargestellt, lauten sie so:
Brückenannahme A: Gott schuf die bestmögliche Welt.  Dies läßt sich an der Geordnetheit des Universums erkennen. Selbst das Höchste Wesen konnte allerdings einige unliebsame Konsequenzen dieser Geordnetheit (z.B. die gelegentlich auftretenden Erdbeben und Flutkatastrophen) nicht verhindern. Zwar mögen uns diese zunächst als ein Übel erscheinen, aber in Wirklichkeit sind sie gerechtfertigt, da ohne sie auch die Geordnetheit des Universums unmöglich wäre. Eine geordnete Welt ist in jedem Fall besser als eine ungeordnete.
Brückenannahme B: Gott schuf die bestmögliche Welt, was sich an der Schönheit des Universums zeigt. Schönheit setzt jedoch Kontrastreichtum voraus. Zu den Kontrasten der Welt gehört auch das Leid. Zwar erscheint uns dieses zunächst als ein Übel, aber es ist in Wirklichkeit gerechtfertigt, da ohne Leid auch Gott keine Schönheit schaffen konnte. Ein schönes Universum ist jedoch in jedem Fall besser als ein häßliches.
Brückenannahme C: Gott schuf die bestmögliche Welt, was an der Tatsache offenbar wird, daß es in dieser Welt ethisches Verhalten gibt. Ein solches Haltung setzt jedoch Leid voraus, das uns zwar zunächst als ein Übel erscheinen mag, das aber in Wirklichkeit gerechtfertigt ist, da es eine notwendige Voraussetzung ethischen Verhaltens ist. Eine Welt mit Moralität ist aber in jedem Fall besser als eine Welt ohne sie.
Brückenannahme D: Gott schuf die bestmögliche Welt, was sich daran zeigt, daß es menschliche Freiheit gibt. Eine Welt mit Freiheit ist ungleich besser als eine Welt ohne sie, allerdings setzt Freiheit voraus, daß sie gelegentlich (tatsächlich sogar häufig) mißbraucht wird. Dadurch kam alles Leid in die Welt. Zwar mag uns dieses zunächst als ein Übel erscheinen, aber da es notwendig ist zur Verwirklichung des überragenden Gutes der menschlichen Freiheit, ist es gerechtfertigt.
Folgende argumentationslogische Struktur gilt dabei für alle diese Brückenannahmen:
1. Zunächst wird behauptet, daß es in dieser Welt eine ausgezeichnete Eigenschaft e gibt (Geordnetheit, Schönheit, ethisches Verhalten, menschliche Freiheit), kurz: es gibt in dieser Welt e
2. Sodann wird behauptet, daß es auch Gott unmöglich sei, eine Welt mit dieser ausgezeichneten Eigenschaft, aber ohne jedes Leid zu schaffen, kurz: (auch für Gott) unmöglich, eine Welt mit e und ohne L
3. Schließlich wird behauptet, daß eine Welt, in der es - trotz des damit notwendig verknüpften Leids - die Eigenschaft e gibt, wesentlich besser ist als jede Welt, in der es e nicht gibt, kurz: eine Welt mit e, die ein großes Gut ist, ist besser als jede Welt ohne e.
Daraus wird nun geschlossen, da (alles) Leid gerechtfertigt ist, es also keine Übel gibt. Gibt es aber gar keine Übel, so ist Gottes Güte gerechtfertigt und das Theodizeeproblem gelöst.
Leibniz hat die Grundidee solcher Brückenannahmen, ohne den Ausdruck selbst zu gebrauchen, so formuliert: "... im Universum übertrifft ja nicht nur das Gute das Übel, sondern das Übel dient auch zur Vermehrung des Guten."  Zweifelsohne sind Brückenannahmen grundsätzlich geeignet, das Theodizeeproblem im Sinne des Theismus zu lösen. Sie können die von Theisten erhoffte Funktion, nämlich die anscheinende Unvereinbarkeit der Prämissen I-IV zu >überbrücken<, allerdings nur dann erfüllen, wenn sie nicht bloß, logisch betrachtet, zur Lösung geeignet, sondern wenn sie darüber hinaus auch wahr sind. Brückenannahmen müssen also um ihrer selbst willen, d.h. unabhängig von ihrer Funktion im Rahmen einer Lösung des Theodizeeproblems, gültig sein. Sollte jedoch zumindest eine dieser Brückenannahmen wahr sein, so wäre die Annahme eines allmächtigen und allgütigen Wesens vereinbar gemacht mit dem Leid der Welt. >Alles, was wir so sehr beklagen und um dessen Erklärung wir seit Hiobs Tagen ringen, das Übel nämlich, existiert gar nicht, vielmehr ist alles Leid mit Gottes Güte vereinbar< - so lautet das von Theisten erhoffte Ergebnis.
 

A.  Die geordnete Natur

Näher ausgeführt, lautet die Brückenannahme A so: Gott schuf die bestmögliche Welt, was sich an der Geordnetheit des Universums zeigt. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für diese Geordnetheit sind die Gravitationskräfte, denn ohne sie bräche das reine Chaos aus: Kein Regen könnte fallen, Gegenstände höben plötzlich ab, um vielleicht sogleich wieder zu Boden zu stürzen. Die Erde, sollte sie sich noch um ihre Achse drehen, würde aufgrund zentrifugaler Kräfte in ihre Bestandteile zerrissen. Dort, wo einmal Menschen lebten und fruchtbare Felder bebauten, gäbe es nur noch einen Nebel planlos dahintreibenden Staubs. Ein Leben, wie wir es kennen, wäre unmöglich - nicht nur alle Leiden, sondern auch alle Träume und Freuden der Menschen hätten ein Ende gefunden. Aber diese Geordnetheit hat einen Preis, den auch Gott bezahlen mußte. Denn jene Kräfte, die für diese Geordnetheit verantwortlich sind, zeitigen manchmal, etwa bei Flut- oder Flugzeugkatastrophen, unliebsame Konsequenzen. Aber dann, wenn Menschen selbst beurteilen sollen, welche Folgen ihr Tun oder Unterlassen nach sich ziehen, dann müssen die Naturgesetze als feste Regeln wirken. Nur in einer geordneten Welt können Menschen eingreifen, können sie Lebenspläne entwickeln und Veränderungen vornehmen, also Freiheit üben. "Das heißt dann aber auch, daß es >Opfer des Systems< geben wird ..."
 

B.  Das göttliche Kunstwerk

Im diesem Lösungsversuch wird nicht, wie im vorangegangenen, aus der Regelmäßigkeit, sondern aus der Mannigfaltigkeit der Dinge auf die Güte Gottes geschlossen. Von diesem Lösungsversuch existieren nun zwei Versionen:

a) Leid als notwendiger Kontrast

In der ersten Variante der Brückenannahme B wird alles Leid mit dem Hinweis gerechtfertigt, daß es im Wege des Konstrasts einen notwendigen Beitrag zu einem optimalen Gesamtbild leiste. "Gott würde ja keinen Menschen geschaffen haben und erst recht keinen Engel", schrieb der heilige Augustinus, "dessen künftige Schlechtigkeit er vorausgesehen hätte, wüßte er nicht ebenso, wie er sich ihrer zum Nutzen des Guten bedienen und so das geordnete Weltganze wie ein herrliches Gedicht gewissermaßen mit allerlei Antithesen ausschmücken würde. Solche ... Antithesen ... bilden nämlich den ansprechendsten Schmuck ..."  So, wie Gegensätze die Rede verschönern, schafft also die göttliche Kunst, die sich der Dinge statt der Worte bedient, durch ähnliche Antithesen die Schönheit des Ganzen.  Die Leiden und Laster der Welt sind die unvermeidlichen Dissonanzen im carmen universitatis - so könnte die Brückenthese B kurz zusammengefaßt werden.
Interessanterweise ist ihre logische Struktur mit derjenigen der Brückenannahme A nicht identisch. Zwar wird in beiden Fällen behauptet, daß es unmöglich sei, daß eine bestimmte Eigenschaft (Geordnetheit bzw. Schönheit) ohne Leid existieren könne; auch wird in gleicher Weise betont, daß man Leid nicht isoliert betrachten dürfe, sondern in einem Gesamtzusammenhang sehen müsse. Aber ein fundamentaler Unterschied besteht doch: Während in der Brückenannahme A alles Leid als eine unerwünschte, wiewohl unvermeidliche Konsequenz eines bestmöglichen Ganzen behauptet wird, wird in der Brückenannahme B alles Leid als ein von Gott bewußt eingesetztes Mittel zur Verwirklichung eines bestimmten Gutes gedeutet. Während also in der Brückenannahme A hervorgehoben wird, daß Gott ein bestimmtes Gut schuf, das allerdings einige unerwünschte, jedoch unvermeidliche Konsequenzen nach sich zieht, wird nun betont, daß Gott die Leiden der Welt ganz bewußt eingesetzt habe, um nämlich ein bestimmtes Gut, die Schönheit der Welt, zu verwirklichen. Die Leiden erfüllen als Mittel zu einem hervorragenden Zweck eine notwendige Funktion im bestmöglichen Gesamtbild, so die Brückenannahme B.
Dies gilt nach Leibniz auch für die damals weitverbreitete Glaubensannahme jener Religion, die die Nächstenliebe predigt, wonach ein Großteil der Menschen sich am Ende der Tage im ewigen Höllenfeuer wiederfinden werde: "Wir halten fest an der außer Zweifel stehenden Lehre, die Zahl der ewig Verdammten sei unvergleichlich viel größer als die der Geretteten", denn diese führten in bezug auf die Welt als Ganze zu einem weit größeren Gut.  Die Verdammten der Erde haben also die Funktion eines dissonanten Akkords im Rahmen der gerade dadurch um so eindrucksvoller klingenden göttlichen Weltsinfonie. Leibniz zufolge ist die Welt eine Sinfonie in Dur, in der die häufigen Molltöne einen notwendigen Beitrag zur Schönheit des Ganzen liefern.

b) Leid als notwendiger Gegensatz

Von der Brückenannahme B existiert nun eine abgeschwächte Version, die im Gegensatz zur stärkeren nicht nur vor allem von Philosophen, sondern auch von Theisten und Predigern vertreten wird. Sie lautet so: Gott schuf die bestmögliche Welt. Aber eine Welt ohne Leid ist schlechter als die tatsächlich von Gott geschaffene, denn Leid ist ein notwendiger Gegensatz zum Guten. Trotz seiner Allmacht konnte auch der Herrgott unmögliche Dinge nicht schaffen, <denn beseitigte er das Schlechte, so beseitigte er auch das Gute<.
Während also in der stärkeren Version der Brückenannahme B die verschiedenen Leiden als notwendige Kontraste interpretiert werden, so wird nun hervorgehoben, daß Leid ein notwendiger Gegensatz zum Guten sei. In der schwächeren Version wird also nicht betont, daß es einen Reichtum an Leid geben müsse (>Jedem Gut muß als Kontrast ein Leid gegenübergestellt werden, damit die Schönheit des Ganzen besonders eindrucksvoll wird<), sondern es wird nur behauptet, daß Leid unerläßlich sei zur Bewußtwerdung des Guten.
 

C. Die sittliche Weltordnung

Während die Brückenannahme A und die stärkere Version der Brückenannahme B im traditionelleren Christentum eine untergeordnete Rolle spielen, ist dies für die beiden folgenden Brückenannahmen nicht der Fall. Präziser formuliert, lautet der dritte große Lösungsversuch des Theodizeeproblems so: Gott schuf eine Welt, in der alles Leid eine wichtige Funktion erfüllt. Es dient nämlich der sittlichen Besserung, also der Ausbildung moralischer Tugenden wie Solidarität, Mitgefühl, Tapferkeit, Pflichtgefühl. "Ein weiteres Argument, weshalb Gott es zuläßt, daß Menschen aufgrund natürlicher Übel leiden, besteht darin, daß nur so die Realisierung von Werten höherer Ordnung möglich ist, d.h., daß verschiedene Übel die logisch notwendige Bedingung für einige besonders wertvolle Verhaltensweisen darstellen. Wer heiter und gelassen sein Leben ertragen soll, muß leiden ... Ähnlich, so wird oft gesagt, sind Übel der verschiedensten Art notwendig, damit jemand verzeihen, sich als mutig erweisen, sich selbst opfern, Mitleid üben oder einer Versuchung widerstehen kann."
Neben Dingen wie Freude und Lust, die im folgenden >Güter erster Stufe< (abgek.: Güter 1) genannt werden, gibt es also moralische Verhaltensweisen. Diese >Güter zweiter Stufe< (abgek.: Güter 2) kann es allerdings nur dann geben, wenn es auch verschiedene Leiden gibt.

                                  Güter 2, z.B.
                                      Mitleid
                             /
                           /
     Leiden 1, z.B.                Güter 1, z.B.
      Schmerzen                         Freude
 

Laut Brückenannahme C ist also alles Leid gerechtfertigt, weil es einem bestimmten Zweck dient und dieser Zweck so hochwertig ist, daß dadurch die Negativität des Mittels mehr als aufgewogen wird. >Natürlich beseitigte Gott alles Leid<, so behauptet ein Vertreter dieser Brückenannahme, >aber auch ER ist insoweit eingeschränkt, da Güter zweiter Stufe nicht ohne Leid erster Stufe geschaffen werden können. Denn die beiden bedingen einander wie Licht und Finsternis. Es kann nun einmal keine Tugend ohne Laster geben, das Gute kann ohne das Böse nicht sein. Gerechtigkeit ist die Verneinung von Ungerechtigkeit, Tugend ist nur durch Überwindung des Bösen möglich. Gottes Güte steht somit außer Zweifel.< Wenn Solidarität, Mitgefühl, Tapferkeit und Ausdauer hohe Güter sind, dann scheint auch die Existenz von Krankheiten, Seuchen, Mißbildungen und Naturkatastrophen gerechtfertigt zu sein. Da es ohne Leid kein Mitleid geben kann, war Gott gerechtfertigt, zur Verwirklichung dieser Güter Leid zu schaffen.

D. Der freie Mensch

Der Hinweis auf menschliche Freiheit ist wohl der berühmteste aller Lösungsversuche des Theodizeeproblems. Von ihm existieren ebenfalls zwei Versionen.
In der ersten Variante der Brückenannahme D [Freiheitskonzeption I] wird behauptet, daß es selbst dem allmächtigen Gott unmöglich gewesen sei, eine Freiheit zu schaffen, die niemals mißbraucht wird. Denn nur Menschen, die ihre Freiheit gelegentlich mißbrauchen, sind keine Automaten, sondern freie Wesen. Aber aufgrund dieses Mißbrauchs kommen (und kamen) die verschiedensten Leiden in die Welt. Bei oberflächlicher Betrachtung mögen diese Leiden uns als ungerechtfertigt erscheinen, aber als notwendiger Preis für das übergroße Gut der menschlichen Freiheit sind sie gerechtfertigt; und da auf diese Weise alle Leiden gerechtfertigt werden können, steht Gottes Güte außer Zweifel.
In der zweiten Variante der Brückenannahme D [Freiheitskonzeption II] wird allerdings gerade das Gegenteil behauptet: Es wird nämlich bestritten, daß der gelegentliche Mißbrauch eine notwendige Bedingung der menschlichen Freiheit sei. Dieser Konzeption zufolge schuf Gott eine Form von Freiheit, die nicht mißbraucht werden müsse, aber Menschen haben sie nun einmal mißbraucht, wodurch alles Leid in die Welt kam (und kommt). Da Gott für die Verfehlungen anderer nicht verantwortlich gemacht werden kann, steht seine Güte außer Zweifel. IHN trifft keine Schuld, alle Schuld trifft allein uns Menschen.
Da die beiden Freiheitskonzeptionen einander widersprechen (einmal wird behauptet, Freiheit schließe notwendigerweise ihren gelegentlichen Mißbrauch ein, das andere Mal wird dies bestritten), können nicht beide zugleich wahr sein. Theisten, die mit Hilfe der Brückenannahme D das Theodizeeproblem lösen wollen, müssen sich also entscheiden, welche der beiden Varianten die richtige ist. Zumeist haben sie sich, wie auch die Verfasser der Bibel - zumindest diejenigen des Erbsündenberichts - für die Freiheitskonzeption II entschieden.
Doch zunächst zur ersten Version der Brückenannahme D. Näher ausgeführt, lautet sie so: Gott schuf die bestmögliche Welt, nämlich eine Welt mit freien Wesen. Freiheit setzt jedoch ihren gelegentlichen Mißbrauch, also ein gelegentlich egoistisches oder grausames Verhalten voraus. Als Folge davon kamen und kommen die Leiden in die Welt, aber da sie notwendig sind zur Verwirklichung des hohen Gutes der menschlichen Freiheit, sind sie gerechtfertigt. Nur Wesen ohne einen freien Willen könnten so beschaffen sein, daß sie stets das Richtige tun. Aber solche Wesen wären keine Menschen, sondern seelenlose Automaten. Eine Welt, die anstelle von sich frei entscheidenden Menschen von stets richtig handelnden Automaten bevölkert wäre, ist jedoch schlechter als diese Welt. Daß Gott die Welt einschließlich freier Wesen geschaffen hat, die einmal das Gute, dann wieder das Böse tun, ist Ausdruck seiner überragenden Macht und Güte. Sie ist auch Ausdruck seines Unwillens, in sklavischer Weise verehrt zu werden.
Diese erste Version der Brückenannahme D, und darin besteht nicht zuletzt ihre Attraktivität, läßt sich mit Überlegungen, die für die Brückenannahme C zentral sind, glänzend kombinieren: Leiden erster Stufe, zum Beispiel körperliche Schmerzen, werden als logisch notwendige Komponenten eines Gutes zweiter Stufe, zum Beispiel Mitgefühl, gerechtfertigt. Leiden zweiter Stufe, zum Beispiel Grausamkeit, werden nun mit dem Hinweis auf Freiheit, nämlich als unvermeidliche Folge dieses Gutes dritter Stufe gerechtfertigt. Warum also hat Gott Wesen mit freiem Willen geschaffen, wiewohl dies zu so großem Leid führt? Antwort: Weil es besser ist, daß Menschen frei handeln und bisweilen etwas Sündhaftes tun, als daß sie unzurechnungsfähige Automaten wären, die determiniert stets das Richtige tun. Freiheit überragt als Gut dritter Stufe alle Leiden erster und zweiter Stufe, also alle Formen von Schmerz bzw. moralischen Verfehlungen.
 
                                                Gut 3
                                 /             Freiheit
                               /
                             /
                           /
        Leiden 2                         Güter 2
 z.B. Grausamkeit                 z.B. Mitleid
 (>notwendiger Preis
der Freiheit<)
                                   /
                                  /
                                 /
     Leiden 1                               Güter 1
z.B. Schmerzen                     z.B. Freude        (>notwendig für Güter 2<)

 
Zweifellos ist auch die Freiheitskonzeption I grundsätzlich geeignet, die anscheinende Unvereinbarkeit der Ausgangsprämissen I-IV zu überbrücken. Aber wirklich erfüllen kann sie diese Aufgabe nur, wenn sie auch wahr ist. Aber schließt nun menschliche Willensfreiheit ihren gelegentlichen Mißbrauch notwendigerweise ein (Freiheitskonzeption I) oder ist dem nicht so (Freiheitskonzeption II)?
Der Vorzug der Freiheitskonzeption I besteht darin, wie soeben gezeigt, daß durch sie die Leiden zweiter Stufe zumindest grundsätzlich gerechtfertigt wären: Diese sind ein notwendiges Mittel zur Verwirklichung von Gut 3, von menschlicher Freiheit. Aber aus den beiden folgenden Gründen ist nicht sie, sondern die Freiheitskonzeption II die bestmögliche, also die mit der vollkommenen Güte Gottes vereinbare Lösung:
1. Wenn es logisch möglich ist, daß jemand bei einer oder bei mehreren Gelegenheiten freiwillig das Gute tut (etwa der Versuchung zum Ehebruch widersteht), dann kann es auch nicht logisch unmöglich sein, daß alle Menschen bei jeder Gelegenheit freiwillig das Gute tun. Eben diese Möglichkeit setzen die meisten Theologen in selbstverständlicher Weise voraus, dann nämlich, wenn sie den Engeln wie auch den Seligen im Himmel keineswegs die Willensfreiheit absprechen, obwohl sie annehmen, daß diese de facto der Sünde nicht anheimfallen. Auch für totgeborene Kinder gilt, sofern sie getauft sind, daß diese in Freiheit das Gute genießen werden, obwohl sie mit Sicherheit nie Sündhaftes getan haben. Wird ein künftiges Reich Gottes erhofft, so wird ausdrücklich die Möglichkeit eines Zustands eingeräumt, in dem von Gott geschaffene Wesen immer freiwillig das Gute tun. Wenn aber ein solch paradiesischer Zustand Gegenstand einer vernünftigen Hoffnung sein kann, so ist die Freiheitskonzeption I unrichtig.
2. Vielleicht sind Theisten, die die erste Freiheitskonzeption für richtig halten, dennoch versucht, gegen diese Überlegung folgenden Einwand vorzubringen: Wenn Menschen de facto nie sündigen, also nicht nur Herr Stoiber zum Zeitpunkt t der Versuchung zum Ehebruch widersteht, sondern alle Menschen dieser Versuchung widerstehen, dann kann dies nur darauf beruhen, daß sie von Gott so geschaffen wurden, daß sie überhaupt nicht sündigen können; sie sind durch einen göttlichen Schöpfungsakt ein für allemal am Sündigen gehindert worden, folglich unfrei.
Dieses immer wieder vorgebrachte Argument ist aber aus folgendem Grund nicht stichhaltig: Gott hätte nämlich den Menschen zwar mit einem freien Willen, der sich auch für das Böse entscheiden kann, erschaffen können , jedoch die Randbedingungen des menschlichen Lebens so arrangieren können, daß de facto niemand von der Möglichkeit zum Bösen Gebrauch macht. Man könnte sich leicht eine Welt vorstellen, in der kein Mensch Selbstmord begeht - ohne daß damit die Möglichkeit zum Selbstmord, die wir alle beinahe permanent haben, aufgehoben wäre. Es gibt eine ganze Reihe von Tätigkeiten, die Menschen zu keinem früheren Zeitpunkt gemacht haben und von denen man doch annehmen kann, daß Menschen die ganze Zeit über frei waren, diese Tätigkeiten auszuführen, sie aber aus Gründen des Takts oder aus einem Mangel an Phantasie unterlassen haben. Das Guiness-Buch der Rekorde ist voll von solch neu erdachten, nicht immer edlen Handlumgen.
Irgendwann wurde alles zum ersten Mal getan, aber in den meisten Fällen waren Menschen auch zuvor frei, sie auszuführen. Und man kann sich unschwer viele Tätigkeiten vorstellen, die Menschen nie getan haben, obwohl sie frei sind, es zu tun, zum Beispiel in Bochum eine Pyramide zu errichten oder den dritten Weltkrieg zu beginnen. Also gibt es einen Unterschied zwischen: >Wesen sind frei, Böses zu tun, tun es aber nicht, weil sie so programmiert sind< und >Wesen sind frei, Böses zu tun, tun es aber nicht aufgrund innerer und äußerer Umstände<.
Aus diesen Überlegungen folgt meines Erachtens eindeutig, daß eine Freiheit denkbar ist, die ihren gelegentlichen Mißbrauch nicht notwendigerweise einschließt; und da eine solche Freiheit besser ist als eine Freiheit, die ihren Mißbrauch, also unmoralisches Handeln (und damit ungerechtfertigtes Leid), notwendigerweise einschließt, kann nur die Freiheitskonzeption II mit göttlicher Güte und Weisheit vereinbar sein. Theisten, die behaupten, Freiheit schließe nicht bloß die Möglichkeit zu sündhaftem Handeln, sondern sündhaftes Handeln selbst ein, sind also mit der Tatsache konfrontiert, daß sehr wohl eine Freiheit denkbar ist, die keinen Mißbrauch einschließt und damit mit Gottes Güte ungleich besser verträglich ist. Zudem müssen sie sich folgendem Einwand stellen: Wenn es notwendig ist, daß Menschen ihre Freiheit gelegentlich mißbrauchen, wer ist denn dafür verantwortlich, wenn Menschen es tun? Denn sie tun es ja nicht aus schlechter Absicht, sondern weil sie es tun müssen, um überhaupt das große Gut der Freiheit zu verwirklichen, es passiert gleichsam mit ihnen. Aber warum werden sie dann von ihren Mitmenschen und vom göttlichen Richter am Ende aller Zeiten für die Leiden (bzw. Übel) zweiter Stufe bestraft? Und weshalb wurden sie dafür sogar aus dem Paradies vertrieben?
Die Freiheitskonzeption I wirft also eine ganze Reihe von Problemen auf, weshalb die allermeisten Theisten zurecht die Freiheitskonzeption II für richtig halten.  Der Unterschied zwischen beiden läßt sich nun deutlich bestimmen: Während in der Freiheitskonzeption I die Leiden 2 als unvermeidbare Konsequenzen der Verwirklichung des überragenden Gutes der Freiheit gelten, somit keine Übel sind, wird in der Freiheitskonzeption II behauptet, daß die Leiden 2 nicht zum Weltenplan gehören, sondern erst durch unnötige Verfehlungen der (ersten) Menschen in die Welt gekommen, somit Übel sind. Da WIR jedoch schuld daran sind, sind sie dennoch mit der Existenz eines gütigen Gottes durchaus vereinbar.
Mit den vorangegangenen Brückenannahmen läßt sich die Freiheitskonzeption II wie folgt vergleichen. In allen Brückenannahmen wird behauptet, daß dieser Weltordnung der Plan eines moralisch vollkommenen und allmächtigen Wesens zugrundeliege (Gott hat die bestmögliche Welt geschaffen). In einem zweiten Schritt wird dies anhand einer bestimmten Eigenschaft der Welt illustriert: an der Naturordnung (Brückenannahme A), an der Schönheit des Universums (Brückenannahme B), an der Sittlichkeit des Menschen (Brückenannahme C) und an der menschlichen Freiheit (Brückenannahme D). In einem dritten Schritt wird schließlich behauptet, daß gerade das als sinnlos erscheinende Leid entweder eine unvermeidbare Nebenfolge dieser ausgezeichneten Eigenschaft ist (dies gilt für die Brückenannahme A sowie für die erste Version der Brückenannahme D) oder zur Verwirklichung dieser Eigenschaft notwendig ist (dies gilt für die Brückenannahmen B und C) oder durch einen, Gott aber nicht anzulastenden Mißbrauch in die Welt kam (dies gilt für die zweite Version der Brückenannahme D).
In den bisher besprochenen Brückenannahmen wurde von theistischer Seite behauptet, daß es in Wirklichkeit gar keine Übel gibt (>Alles Leid ist sinnvoll, da es zur Verwirklichung eines größeren Gutes notwendig oder dessen unausweichliche Folge ist<), aber in der Freiheitskonzeption II wird an der Existenz von sinnlosem Leid festgehalten. Diese Übel werden jedoch, ohne daß ihnen eine notwendige Funktion zukäme, als vereinbar mit Gottes Güte behauptet.  In der Freiheitskonzeption II wird also das Leid in einer anderen, neuen Weise gerechtfertigt:
Bisher (Brückenannahmen A,B,C, Freiheitskonzeption I): Leid ist gerechtfertigt, weil unerläßlich zur Verwirklichung eines großen Gut oder dessen unvermeidbare Konsequenz. Da alle Leiden in dieser Weise gerechtfertigt sind, ist auch Gottes Güte gerechtfertigt.
Nun (Freiheitskonzeption II): Viele Leiden sind weder unerläßlich zur Verwirklichung eines großen Gutes noch dessen unvermeidbare Konsequenz. Dennoch ist Gottes Güte gerechtfertigt, da alle Leiden durch Menschenschuld in die Welt gekommen sind.
 

UMGEHUNGSVERSUCHE

Außer durch Brückenannahmen wurde durch Neuinterpretation der Prämissen I-IV das Theodizeeproblem zu lösen versucht. Während in den bisher diskutierten Lösungsversuchen Theisten bemüht waren, die scheinbare Unvereinbarkeit der Prämissen mittels Zusatzannahmen zu >überbrücken<, wird in den nun folgenden Lösungsversuchen das Theodizeeproblem durch eine Modifikation der Prämissen >umgangen<. Ein Beispiel für einen solchen Umgehungsversuch ist die Behauptung, daß es bereits ein Irrtum sei, überhaupt von >Übeln< zu sprechen, >gibt es doch in Wirklichkeit nur einen Mangel an Gutem<. Dabei ist die Grenze zwischen diesen und den vorangegangenen Lösungsversuchen gelegentlich fließend: So implizieren zumindest die Brückenannahmen B und C bereits eine gewisse Modifikation der Prämisse III (>Etwas, das selbst gut ist, würde etwas anderes, das schlecht oder übel ist, nach Möglichkeit verhindern oder eliminieren.<), denn ihnen zufolge ging es dem Allmächtigen primär nicht um die Verhinderung von Leid, sondern um die Verwirklichung höherer Güter.
Meines Wissens wurden nun in der Geschichte des Theodizeeproblems folgende Umgehungsversuche vorgebracht, wobei in allen Fällen eine Prämisse geändert, an den anderen jedoch festgehalten wird.
Umgehungsversuch A: Die Prämisse IV ist ungenau formuliert, da es in Wirklichkeit kein substantielles Leid und somit auch keine Übel, sondern nur einen Mangel an Gutem gibt. Weil dem so ist, taucht das Theodizeeproblem gar nicht auf (die Privationslehre).
Umgehungsversuch B: Die Prämisse II bedarf der Modifikation: Ohne Zweifel gibt es Leid und ist Gott allgütig, allwissend und allmächtig. Aber ER ist vor allem auch der leidende Gott. Das Höchste Wesen nimmt Anteil an menschlichem Schmerz, indem er selbst die schwersten Leiden auf sich genommen hat. Da Leid gerade das ist, was Gott mit seinen Geschöpfen verbindet, kann es kein Übel sein.
Umgehungsversuch C: Die Prämisse II muß in der Weise interpretiert werden, daß Gott zwar allgütig ist, aber seine Güte der unseren nicht entspricht. Natürlich gibt es vieles, das uns als negativ, als unvereinbar mit Gottes Güte erscheint, aber wer bist du Mensch, daß du richten willst den Allmächtigen?
Umgehungsversuch D: Die Prämisse III bedarf der Präzisierung. Gewiß würde etwas, das selbst gut ist, etwas anderes, das schlecht oder übel ist, nach Möglichkeit beseitigen oder eliminieren, aber warum bereits im Diesseits? Gott hat nämlich nicht nur diese Welt, sondern auch eine jenseitige geschaffen, wo er als Weltenrichter ausgleichende Gerechtigkeit üben, also die Guten belohnen und die Bösen bestrafen wird. Somit sind die Leiden der Welt nicht sinnlos, sie sind kein Übel.
 

A. Die Privationslehre

Große Theologen und Philosophen (Origenes, Plotin, Augustinus, Thomas, Leibniz) legten einem Teil ihrer Theodizeen den Privationsbegriff des Negativen zugrunde. Dieser basiert auf der Annahme, daß alles Seiende in Wirklichkeit gut sei: Omne ens est bonum [Das ganze Sein ist gut]. Die angeblichen Übel der Welt seien bloß eine Beraubung, eine Unordnung, eine Störung der Harmonie, eine privatio boni [Mangel an Gutem]. Da den Übeln der Welt kein wirkliches Sein zukommt, bedürfen sie eines Trägers: Denn wie eine Krankheit nicht allein, sondern nur an einem Körper existiert, so haften auch die Übel am Guten. Da sie also nicht substantiell, sondern bloß akzidentell sind, sind sie machtlos und können nicht durch sich, sondern nur durch die Kraft des Guten wirken. Vordergründig mag den Übeln eine gewisse Realität zukommen, aber in Wirklichkeit ist alles bestens. "Alles, was ist, ist auch gut, und das Böse, nach dessen Ursprung ich fragte, ist nichts Wesenhaftes, denn wäre es ein Wesen, wäre es gut."
Bei dieser Privationslehre handelt es sich, so lautet zumindest der theistische Anspruch, um eine metaphysische Sicht der Dinge und nicht bloß um eine Redeweise der folgenden Art: Jedes Gegensatzpaar, etwa >groß: klein< oder >heiß: kalt<, kann so umformuliert werden, daß man mittels Negation auf einen der Ausdrücke verzichtet, also statt kalt >nicht heiß< oder statt klein >von sehr geringer Größe< sagt; und Tugend gilt dann als Negation des Lasters und Bewegung als Negation der Ruhe. Auf diese Weise wäre auch der Ausdruck >Übel< dadurch zu eliminieren, daß man von einem >großen Mangel an Gutem< spricht. Aber in der Privationslehre geht es um keinen derartigen Trick, sondern um eine Analyse der Wirklichkeit, wobei die entscheidende Behauptung die sachliche Ineinssetzung des Guten mit dem Sein ist: Das Sein ist gut, das Böse ist ein Nichts, das Übel ist nicht-seiend. Weil laut Privationslehre das Übel nur eine negative Begleiterscheinung des geschöpflichen Seins ist, lautet die vierte Prämisse nicht: >Es gibt Leid<, sondern richtigerweise: Es gibt einen Mangel an Gutem.
 

B.  Der leidende Gott

Beim Umgehungsversuch B geht es um eine Modifikation bzw. Ergänzung der Prämisse II: Gott ist nicht nur der gütige Vater und gerechte Richter, sondern er ist auch derjenige, der aus Mitgefühl seine Geschöpfe in ihrem Leid nicht allein läßt. ER ist nicht nur das summum bonum, sondern auch der leidende Gott, der sogar sein Leben für unsere Sünden hingab. So viele Mühen gibt es in der Welt, aber Gott trägt mit uns ihre Last! Natürlich ist diese Vorstellung vom >Leiden Gottes aus Liebe< für das Christentum typisch, während sie im Judentum und im Islam nicht nur fehlt, sondern häufig sogar als Gotteslästerung empfunden wird (>Der Allmächtige soll sich vor zweitausend Jahren von römischen Soldaten auspeitschen haben lassen ...??<). Während also der Umgehungsversuch B von Juden und Muslimen nicht vertreten wird, sind die Lehren von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen und, vor allem, von der Menschwerdung Gottes die Kernstücke der christlichen Anthropologie. Weil Gott selbst das größte Leid auf sich genommen hat, kann es nicht als Übel bezeichnen werden.
 
 Eine modifizierte Variante des Umgehungsversuches B lautet so: Gott teilt zwar die Mühen der Welt, aber er schickt auch Leiden, um nämlich Menschen zu einem besseren, gottgefälligeren Leben zu erziehen. Leid ist also ein notwendiges Mittel zum individuellen Du zwischen Gott und seinen Geschöpfen: "Siehe, glücklich ist der Mensch, den Gott zurückweist! So verwirf denn nicht die Züchtigung des Allmächtigen! Denn er bereitet Schmerz und verbindet, er zerschlägt und seine Hände heilen."(Hi 5.17)
Diese Pädagogisierung und Vergöttlichung des Negativen bildet die Folie für verschiedene theistische Behauptungen: >Das Leid ist die Hilfe Gottes, um die Seele aus den Händen des Feindes zu befreien<; >Das Leid beschleunigt den Weg zu Gott<; >Durch das Leid entzieht Gott der Seele den irdischen Trost und nötigt sie, himmlischen Trost zu suchen<; >Das Leid ist das sicherste Zeichen, daß Gott den Menschen liebt<; >Not und Leid wird den Menschen gesandt, damit sie vor Trägheit und Schlaffheit bewahrt bleiben<. Und: >Leid stärkt das persönliche Verhältnis zu Gott<, und schließlich unüberbietbar: Not lehrt beten!
Obwohl solche Vorstellungen im AT wahrscheinlich häufiger als im NT sind, findet sich beim hl.Paulus eine besonders eindrucksvolle Stelle: "Darum, damit ich mich nicht überhebe, wurde mir ein Dorn für das Fleisch gegeben, ein Engel Satans, damit er mich mit Fäusten schlage ... Um dessentwillen habe ich dreimal den Herrn angerufen, daß er von mir ablassen möge. Und er hat zu mir gesagt: Meine Gnade genügt dir, denn meine Kraft kommt in Schwachheit zur Vollendung ... Deshalb habe ich Wohlgefallen an Mißhandlungen, an Schwachheiten, an Nöten, an Verfolgungen, an Ängsten um Christi willen."  Und Meister Eckehart meinte, ihm sei >viel lieber<, daß Gott ihn liebe und er dabei krank sei, >als wenn er gesund am Leibe wäre und Gott ihn nicht liebte<: "Alles, was der gute Mensch um Gottes willen leidet, das leidet er in Gott, und Gott ist mit ihm leidend in seinem Leiden. Ist mein Leid in Gott und leidet Gott mit, wie kann mir dann das Leiden ein Leid sein, wenn das Leiden das Leid verliert und mein Leid in Gott und Gott mein Leid ist."
Da solche Ideen von der Lehre, daß der Allmächtige als konkrete Person am Kreuz gelitten hat, unabhängig sind, finden sich leidensmystische Gedanken nicht nur im Christentum, sondern auch in anderen Religionen. Im Gegensatz zur ersten Version dieses Umgehungsversuches wird von Vertretern der >Leidensmystik< ausdrücklich hervorgehoben, daß Gott Leid schaffe und bewußt einsetze. Aber dieses diene nicht, wie in der Brückenannahme C betont wurde, zur Entwicklung von Mitgefühl mit anderen, sondern zur Entwicklung spezieller individueller Güter, insbesondere eines gottesfürchtigen Lebens.
 

C. Göttliche und menschliche Güte

Näher ausgeführt, lautet der Umgehungsversuch C so: Prämisse II bedarf der Modifikation. Natürlich ist Gott das summum bonum, aber seine Güte ist nicht die unsere. Und nicht nur Gottes Güte ist mit menschlichen Kategorien nicht zu begreifen, sondern auch seine Gedanken und Wege sind nicht die unseren. So kann man es in der Bibel lesen , und so argumentieren auch große Philosophen: „Der Gegenstand Gottes hat etwas Unendliches an sich; seine Sorge erstreckt sich auf das ganze Universum: was wir davon kennen, ist beinah nichts; und da wollen wir seine Weisheit und Güte an unseren Erfahrungen messen? Welche Vermessenheit oder besser, welche Absurdität! Den Einwürfen liegen falsche Voraussetzungen zugrunde; lächerlich ist es, Recht sprechen zu wollen, wenn man den Tatbestand nicht kennt."
In der Tat erscheinen uns viele Dinge, die der angeblich allgütige und gerechte Gott geschaffen hat (oder zuläßt) als negativ: daß er Leiden erster Stufe schafft, damit andere Menschen Güter zweiter Stufe entwickeln können; daß er in gänzlich unangemessener Weise Unschuldige, nämlich künftige Generationen, für die Vergehen ihrer Vorfahren bestraft; daß er nicht eingreift, wenn Menschen, etwa durch Erdbeben oder Flutkatastrophen, großes Leid zugefügt wird, aber zugleich jene züchtigt, die er liebt, kurz: daß es auf Erden eine derartige Fülle an sinnlosem Leid gibt. Aber, so wird nun behauptet, dies sei eben die menschliche Sicht der Dinge, und da Gottes Sicht nicht die unsere ist, ist alles das, was wir bloß als Übel begreifen, in Wirklichkeit gut. >Mag uns auch vieles als ungerecht und böse und schlecht erscheinen, aber wer bist du Mensch ...?< Denn SEINE moralischen Kategorien sind nun einmal nicht die unseren.
 

D.  Ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits
 
Immer wieder taucht im Zusammenhang des Theodizeeproblems die Frage auf, weshalb Gott, falls er allgütig ist, nicht eingreift, wenn Menschen sich völlig falsch entscheiden, etwa bei Völker- oder Massenmord. Speziell auf dieses Problem versucht nun der Umgehungsversuch D eine überzeugende Antwort zu geben. Durch die Hinzufügung eines Zeitparameters stellt er eine gewisse Modifikation von Prämisse III dar: Etwas, das selbst gut ist, beseitigt natürlich das Schlechte, aber nicht notwendigerweise sogleich, sondern erst im Jenseits. "Die Leiden der Gegenwart bedeuten nichts im Vergleich mit der Herrlichkeit, die offenbart werden soll", heißt es beim heiligen Paulus (Röm 8.18). Und Hume hat in seinem Dialog über die natürliche Religion diesen Lösungsversuch Demea in den Mund gelegt: "Haben nicht alle frommen Geistlichen und Prediger, die sich über ein so fruchtbares Thema rhetorisch äußerten, haben sie nicht mit Leichtigkeit, sage ich, für alle Schwierigkeiten, die sich in diesem Zusammenhang ergeben könnten, eine Lösung gezeigt? Diese Welt ist bloß ein kleiner Punkt im Vergleich zum Universum, dieses Leben bloß ein Augenblick im Vergleich zur Ewigkeit. Die gegenwärtigen Übel werden deshalb in anderen Regionen und in einem künftigen Zeitabschnitt des Daseins berichtigt."
Das sittliche Gefühl nimmt besonderen Anstoß an der Ungerechtigkeit des Weltlaufs mit seiner mangelnden Entsprechung von Verdienst und Schuld. Aber, so heißt es nun, der Allmächtige läßt zwar die irdische Sonne über Gerechte und Ungerechte scheinen, einmal wird er jedoch den Spreu vom Weizen trennen! Mögen auch Menschen die Rolle, die sie im Weltdrama spielen, oft als bedrückend erleben, so wird es doch eine Erlösung für die unsterblichen Seelen geben: am Ende aller Zeiten!
 

V.  Die Unlösbarkeit des Theodizeeproblems

Meines Erachtens - und ich habe versucht, dies in Gottes Güte und die Übel der Welt ausführlich zu zeigen, vermag kein einziger dieser Lösungsversuche zu überzeugen; stets verfügen Skeptiker über weitaus bessere Argumente als Theisten. Sowohl die Brückenannahmen als auch die Umgehungsversuche erweisen sich, bei genauer Analyse, als löchrige Eimer, die ihren Zweck, nämlich >das Wasser des Lebens< zu holen, nicht erfüllen können: Die meisten Lösungsversuche haben überhaupt keinen Boden, manche haben zwar einen solchen, aber dieser ist irreparabel leck.
Aber gehen wir einmal von dem für Theisten bestmöglichen Fall aus, daß nämlich ein Lösungsversuch, möglicherweise sogar alle, gelängen. Dann wäre in der Tat gezeigt, daß alle Leiden gerechtfertigt wären, es also in der Welt keine Übel gäbe. Aber damit wäre die Güte Gottes immer noch nicht gezeigt, und zwar aus den beiden folgenden Gründen:

1. Auch wenn alle Leiden der Welt als notwendig gerechtfertigt wären, so ist immer noch nicht einzusehen, wie ein gütiger Gott auf den Gedanken kommen konnte, eine Welt aus dem Nichts zu erschaffen, in der so viele Leiden notwendig sind. Mit anderen Worten: Selbst dann, wenn gezeigt werden könnte, daß es in der Welt keine Übel, also kein ungerechtfertigtes Leid gäbe, so bliebe immer noch die Frage offen, weshalb der Allgütige eine Welt erschuf, in der so viele Wesen notwendigerweise leiden müssen.
Die angebliche Heilsgeschichte ist in vieler Hinsicht eine solche des Unheils. Aber selbst dann, wenn die Ordnung der Welt und die gelegentlichen Eingriffe Gottes bestmöglich und alle Leiden unvermeidlich sind, so ist immer noch nicht einzusehen, weshalb Gott eine Welt erschuf, in der so viele Leiden unvermeidlich sind. Käme ein gütiges Wesen je auf den Gedanken, eine Welt zu planen, in der, beispielsweise, gefolterte Kinder notwendig sind, und diesen Plan dann auch noch in die Tat umzusetzen? "Sage mir offen, ich rufe dich auf, - antworte: Würdest du, wenn du selbst, nehmen wir an, den ganzen Bau der Gesetze für das Menschengeschlecht zu errichten hättest, mit dem Ziel im Auge, zum Schluß alle Menschen glücklich zu machen, ihnen endlich einmal Ruhe und Frieden zu geben, - doch zur Erreichung dieses Zieles müßtest du zuvor unbedingt, als unvermeidliche Vorbedingung zu jenem Zweck, meinethalben nur ein einziges winziges Geschöpfchen zu Tode quälen, ...- würdest du dann einwilligen, unter dieser Bedingung der Architekt des Baus zu sein? Antworte mir und lüge nicht!< >Nein, ich würde nicht einwilligen<, sagte Aljoscha leise."
Selbst dann, wenn alle Leiden der Welt eine notwendige Funktion haben, ist also immer noch nicht gezeigt, daß Gott gut ist. Denn es ist nicht einzusehen, weshalb ER eine Welt geschaffen hat, in der so viel Leid notwendig ist. Aus der Rechtfertigung allen Leids folgt also nicht die Güte Gottes. Die Rechtfertigung allen Leids ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um die Güte Gottes zu erweisen.

2. Ziel jeder Theodizee ist die Rechtfertigung von Leid. Aber unter welchen Bedingungen ist Leid gerechtfertigt? Zur Beantwortung dieser Frage wurde bislang von menschlichem Handeln und folgender Überlegung ausgegangen: Ein Chirurg ist dann gerechtfertigt, eine Operation vorzunehmen, also einem Menschen Leid zuzufügen, wenn die folgenden beiden Bedingungen gegeben sind:
(a) Die Handlung, also die Operation, geschieht mit der Absicht, ein Gut zu erwirken, also den Patienten gesund zu machen, wobei dieses Gut in seiner Qualität das Leid, das durch die Operation verursacht wird, bei weitem überwiegt, also: kurze Schmerzen jetzt und lange Freuden dann, und nicht: große Schmerzen jetzt und geringes künftiges Gut.
(b) Der Handelnde kann - bei bestem Wissen - das Gut auf keine andere, schmerzlosere Weise bewirken. Der Patient kann also nicht durch harmlose Medikamente wieder gesund gemacht werden.
Nur wenn diese beiden Bedingungen erfüllt sind, so wurde bislang argumentiert, ist der Handelnde gerechtfertigt, Leid zu erzeugen, oder kurz: Leid ist in diesem Fall gerechtfertigt.
Aber zumindest zwei Fragen stellen sich:
Frage 1: Sind die Bedingungen (a) und (b) tatsächlich hinreichend, um konkretes Leid zu rechtfertigen? Und
Frage 2: Selbst wenn diese Bedingungen hinreichend sind, um Leid zu rechtfertigen, genügen sie auch, um die vollkommene Güte, die sittliche Vollkommenheit des Handelnden zu rechtfertigen?

Zur ersten Frage: Sind also die Bedingungen (a) und (b) hinreichend, um konkretes Leid zu rechtfertigen?
Bemerkenswerterweise sind sie es manchmal, manchmal jedoch nicht. Hinreichend sind sie dann nicht, wenn es sich - um beim Beispiel zu bleiben - bei dem Patienten um jemanden handelt, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist. In diesem Fall wird der Arzt, sofern er moralisch korrekt handeln will, das Einverständnis des Patienten zur Operation einholen müssen. Handelt es sich jedoch bei den Patienten um Kinder, um Tiere oder um Bewußtlose, also um Lebewesen, denen man nicht zutrauen kann, daß sie die Situation in klarer Weise beurteilen können, so spielt diese, also die dritte Bedingung (Einverständnis des Patienten), keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Allerdings sind die Bedingungen (a) und (b) selbst dann nicht völlig hinreichend, um Leid zu rechtfertigen, da sich der Arzt um das Einverständnis, zumindest um die Meinung, der Verantwortlichen, also der Eltern bzw. der Verwandten des Kindes sowie diejenige der Besitzer des Tieres, kümmern muß - sofern Zeit dafür bleibt und diese imstande sind, die Situation klar zu beurteilen. Da jedoch in diesen Fällen die Beurteilenden dem Patienten nicht so nahe stehen wie dieser sich selbst nahe steht, ist die dritte Bedingung nicht so fundamental wie im Fall des >im Vollbesitz seiner Kräfte stehenden Patienten<. Sind schließlich - um diesen Punkt noch etwas weiterzuspinnen - die zu behandelnden Kinder Vollwaisen oder die erkrankten Tiere herrenlos, so spielt die dritte Bedingung überhaupt keine Rolle.
Präziser formuliert lautet diese so:
(c) Der Handelnde verfügt über die Zustimmung der Person, der Schmerzen bereitet wird, sofern sie imstande ist, die Situation klar zu beurteilen. Handelt es sich bei den Patienten jedoch um Kinder oder Tiere, so muß der Handelnde über die Zustimmung der Eltern bzw. Verwandten oder der Besitzer verfügen, sofern diese imstande sind, die Situation klar zu beurteilen.
Sind in einem bestimmten Fall alle drei Bedingungen erfüllt, so ist der Handelnde mit Sicherheit berechtigt, ein bestimmtes Leid zu erzeugen. Dieses Leid ist dann gerechtfertigt.

Zur zweiten Frage: Selbst dann, wenn bestimmte Bedingungen hinreichend sind, um Leid zu rechtfertigen, genügen sie auch, um die vollkommene Güte des Handelnden zu beweisen? Folgt also aus gerechtfertigtem Leid die vollkommene Güte desjenigen, der dieses Leid schafft?
Bemerkenswerterweise lautet darauf die Antwort, daß dem nicht so ist. Denn aus der Tatsache, daß ein bestimmtes Leid gerechtfertigt ist, folgt nicht, daß der Handelnde, der dieses Leid schafft, moralisch tadellos, ethisch vollkommen ist. Es folgt nur, daß er dies möglicherweise ist, und zwar aus folgendem Grund:
Auch wenn die Absichten des Handelnden insofern frei von Tadel sind, da er Leid nur schafft, wenn die Bedingungen (a), (b) und (c) gegeben sind, so könnten seine Absichten doch in anderer Hinsicht schlecht sein. Selbst dann, wenn ein Chirurg Leid nur schafft, wenn die drei Bedingungen gegeben sind, so ist er nur dann von jedem Tadel frei, wenn die Handlung allein mit der Absicht geschieht, daß sie das notwendige Mittel zu dem bestimmten Gut ist. Will jedoch der Arzt beispielsweise auch Machtgefühle empfinden oder seinen Sadismus befriedigen, wenn er einem Patienten Leid zufügt, so ist sein Tun nicht frei von Tadel.
Aus der Tatsache, daß ein bestimmtes Leid gerechtfertigt ist, folgt also nicht, daß der Handelnde, der das Leid schafft, frei von jedem Tadel ist. Es kann nur gesagt werden, daß sein Handeln möglicherweise frei von jedem Tadel ist. Also selbst dann, wenn gezeigt werden könnte, daß alles Leid gerechtfertigt ist, könnte nur behauptet werden, daß diese Tatsache mit der Annahme der vollkommenen Güte des Handelnden möglicherweise verträglich ist. Es könnte aber nicht gezeigt werden, daß der Handelnde tatsächlich frei von Tadel ist, da wir ja die übrigen Intentionen das Handelnden nicht kennen.
Um also die vollkommene Güte des Handelnden zu zeigen, müssen die Bedingungen (b) und (c) sowie folgende, modifizierte Bedingung (a') gegeben sein:
(a') Die Handlung (in unserem Beispiel: die Operation) geschieht allein mit der Absicht, ein Gut zu schaffen, also den Patienten gesund zu machen, wobei das Gut das Leid bei weitem überwiegt.

Nehmen wir nun an, Gott sei der Handelnde. Auch für ihn müssen, wenn seine Handlungen von uns als gütig eingesehen werden sollen, dieselben Bedingungen wie für uns Menschen gelten. Da meines Erachtens keiner der Lösungsversuche des Theodizeeproblems gelingt, ist ein Großteil des vorhandenen Leids ein Übel, d.h.: Die Bedingung b bleibt unerfüllt. Denn für viele Formen von Leid ist nicht einzusehen, welchem höheren Zweck sie dienen sollten, und für andere Formen von Leid gilt, daß wir uns wesentlich schmerzlosere Mittel vorstellen können, die denselben Zweck erfüllen.
Aber nehmen wir den für Theisten günstigsten Fall an, nehmen wir also an, es könnte gezeigt werden, daß es auf Erden kein einziges Übel gibt. Aber damit wäre Gottes Güte immer noch nicht gerechtfertigt, und zwar aus den folgenden zwei Gründen:
1. Gott wäre nur dann vollkommen gut (Bedingung a'), wenn alle seine Intentionen ausnahmslos lauter wären. Da uns diese aber unzugänglich sind, können wir auch nicht wissen, ob diese Bedingung erfüllt ist oder nicht. Selbst dann, wenn Gott nur Handlungen setzt, die dem Gemeinwohl dienen, so ist immer noch nicht einzusehen, ob sie allein dem Wohlwollen entspringen. Es wäre möglich, daß dem so ist, aber da wir es nicht wissen, können wir nicht in begründeter Weise behaupten, daß Gott vollkommen gut ist.
2. Auch die Bedingung (c) ist nicht erfüllt. Denn als Gott die Welt erschuf, gab es überhaupt noch keine Wesen, die ihrer Erschaffung hätten zustimmen können. Dies mag ein spitzfindiges Argument sein, aber es greift, wenn man an jene Menschen denkt, die bereits leben und einem höheren Zweck geopfert werden. Angenommen, es wäre plausibel, daß ein Vulkanausbruch ein notwendiges Mittel zu einem höheren Zweck ist (um uns beispielsweise an die Schönheit des Universums zu erinnern). Die davon betroffenen Lebewesen werden jedoch nicht gefragt, ob sie dies erleiden wollen, ob sie ein notwendiges Opfer zu einem höheren Zweck sein wollen oder nicht. Nur ein böses Wesen würde über die Interessen anderer Lebewesen aber derart rücksichtslos hinwegschreiten.
Aus diesen Überlegungen folgt: Im Fall göttlichen Handelns ist weder die Bedingung (a') noch die Bedingung (b) noch die Bedingung (c) erfüllt. Und selbst dann, wenn gezeigt werden könnte, daß alles Leid gerechtfertigt ist (Bedingung b), so ist Gottes Güte noch immer nicht gerechtfertigt, da weder die Bedingung (a') noch die Bedingung (c) erfüllt sind. Somit ist bewiesen, daß das theodizeische Problem unlösbar ist. Ist aber das Theodizeeproblem unlösbar, so ist jedes Vertrauen in einen ethisch vollkommenen Gott blind.
 

L i t e r a t u r l i s t e

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