Das Leid und die Liebe Gottes.
Ein Dialog zwischen einem Theisten und einem Skeptiker zur Theodizee-Frage

(aus: G. Streminger, Gottes Güte und die Übel der Welt. Das Theodizeeproblem. Tübingen 1992. S. 319 – 27; wesentlich erweitert.)

Fassen wir das Ergebnis der bisherigen Überlegungen zusammen: Es scheint in keiner Weise zu gelingen, das traditionelle Gottesbild, das den Prämissen I (>Es gibt EINEN Gott, ein personales Höchstes Wesen, das die Welt erschaffen hat.<) und II (>Dieser GOTT ist allmächtig, allgütig und allwissend.<) zugrunde liegt, mit der Beschaffenheit der Welt in Einklang zu bringen. Trotz Zusatzannahmen und trotz Modifikation der Prämissen verstricken sich Theisten in ihren Begründungsversuchen in immer neue Widersprüche. Aus diesem Grunde wird die theistische Lehre gänzlich willkürlich, da aus Prämissen, die einen Widerspruch enthalten, alles Beliebige gefolgert werden kann. »Zuvörderst ist die traurige Beschaffenheit einer Welt", so fasste Arthur Schopenhauer seine Kritik aller Theodizeen zusammen, " … ist die traurige Beschaffenheit einer Welt, deren lebende Wesen dadurch bestehn, daß sie einander auffressen, die hieraus hervorgehende Noth und Angst alles Lebenden, die Menge und kolossale Größe der Uebel, der Mannigfaltigkeit und Unvermeidlichkeit der oft zum Entsetzlichen anwachsenden Leiden, die Last des Lebens selbst und sein Hineilen zum bittern Tode, ehrlicherweise nicht damit zu vereinigen, dass sie das Werk vereinter Allgüte, Allweisheit und Allmacht seyn sollte. Hiegegen ein Geschrei zu erheben, ist eben so leicht, wie es schwer ist, der Sache mit triftigen Gründen zu begegnen.«

Lassen wir, gelegentlich in leicht modifizierter Form, einige der wichtigsten Diskussionspunkte noch einmal Revue passieren. Gehen wir davon aus, dass ein Haus durch einen Blitzschlag in Brand gerät und ein drei Jahre altes Kind und sein liebster Spielgefährte darin unter fürchterlichen Qualen umkommen. Können wir jemanden gut nennen, der ohne Schwierigkeiten beide retten hätten können, es aber offensichtlich nicht getan hat? Sollten wir also GOTT gut, sogar vollkommen gut und gerecht nennen, der zweifellos die Macht besäße, eine solche Tragödie zu verhindern?

Theist: Natürlich können wir weiterhin GOTT gut nennen, denn das Kind wird als Kompensation für seine Leiden in den Himmel kommen.

Skeptiker: Aber um in den Himmel zu kommen, waren derart schreckliche Leiden wohl nicht nötig. Denn wären sie es, so kämen nur wenige in den Himmel. War aber das Leid des Kindes gar nicht nötig, um in den Himmel zu gelangen, so war es unrichtig, das Leid zuzulassen. GOTT hätte den Blitz umdirigieren sollen, damit dieser sich im nahen Biotop oder Wald entlädt. Und selbst dann, wenn das Leid des Kindes nötig gewesen sein sollte, wie kann die Tatsache, dass solches Leid nötig ist, um in den Himmel zu gelangen, mit der Behauptung der Existenz eines gütigen und barmherzigen GOTTES vereinbar sein?

Theist: GOTT handelte völlig richtig, als ER den Blitz nicht umdirigierte. Denn wenn ER in diesen oder ähnlichen Fällen immer wieder in den Naturablauf eingriffe, so wäre unsere Freiheit dahin.

Skeptiker: Aber GOTT hätte doch heimlich eingreifen können, und keiner hätte etwas bemerkt. Blitze schlagen ja des öfteren in einen See oder in einen Baum und eben nicht in das Haus nebenan ein. Und ER hätte – um ein noch wesentlich folgenreicheres Beispiel zu bringen – bei einem der großen Diktatoren des 20. Jahrhunderts dessen Liebe zur Architektur und zur Musik Richard Wagners so stark machen sollen, dass diese Liebe alle destruktiven Gelüste in ihm überlagert. Millionenfaches Leid wäre uns dann erspart geblieben.

Theist: Vielleicht hast du in diesem einen Punkt recht. Vielleicht können die schrecklichen Todesumstände des Kindes mit dem einfachen Hinweis auf himmlische Freuden tatsächlich nicht gerechtfertigt werden. Aber du solltest nicht vergessen, dass das Ereignis, so fürchterlich es für die Betroffenen auch sein mag, manch’ positive Effekte hat. Und genau deretwegen hat GOTT den Tod des Kindes zugelassen. Später einmal werden wir alle Gründe für GOTTES Nicht-Tun erfahren.

Skeptiker: Du argumentierst jetzt wie ein Verteidiger, der behauptet, dass die Indizien gegen seinen Mandanten >ungenügend oder irreführend< seien, weil künftige Beweise das Gegenteil zeigen werden. Aber ein solches Plädoyer ist nichts anderes als das Eingeständnis dessen, dass gerade nicht gezeigt werden könne, dass der Beschuldigte unschuldig sei. Warum nennst du dann – gleichsam vor dem Gerichtshof der Vernunft – ohne gute Gründe GOTT weiterhin moralisch vollkommen und gerecht?

Theist: Weil ich noch über andere exzellente Gründe dafür verfüge.

Skeptiker: Und die wären? Aber warte ein wenig. Ehe du argumentativ davon schwebst, sage mir doch, was eigentlich mit dem treuen Kameraden des Kindes geschehen wird?

Theist: Du meinst mit dem Hund? Dieser wird nicht in den Himmel kommen, da er keine unsterbliche Seele hat.

Skeptiker: Im Himmel gibt es also gar keine anderen Lebewesen außer dem ewigen GOTT, den guten Engeln und den guten Menschen? Eine solche Öde hältst du tatsächlich für hoffnungsvoll und erstrebenswert?

Theist: Nun, das Jenseits ist gewiss keine Öde, sondern ein Paradies. Viele Lebewesen gibt es dort, die Löwen etwa, die mit den Lämmern herumtollen und, zu Vegetariern geworden, keinem etwas zuleide tun. Allerdings wurden diese Tiere, da sie ja keine unsterbliche Seele haben, nur für den Himmel zur Freude der menschlichen Seelen geschaffen. Aber sag’ einmal: Das Leid der Tiere scheint dich ja mehr zu bewegen als das Leid der Menschen!?.

Skeptiker: Das tut es nicht. Aber viele Tiere sind besonders schutz- und hilflos; und ich misstraue allen, die sich so sehr mit dem Leid der Mensachen beschäftigen, aber auf dasjenige der anderen, besonders hilflosen Lebewesen – ebenfalls >Geschöpfe GOTTES< würdest du wohl sagen –, vergessen. Es ist bemerkenswert, dass in den verschiedenen Theodizeen, in denen ein gütiger GOTT gerechtfertigt werden soll, das Leid der Tiere zumeist ignoriert wird. Im Neuen Testament, der angeblichen Offenbarung GOTTES, wird von seinem ersten Stellvertreter auf Erden, vom Heiligen Vater, der fürchterliche Satz verkündet, dass Tiere "von Natur aus dazu da sind, um gefangen und getötet zu werden" – dasselbe Schicksal sollte im Übrigen, so der hl. Petrus, auch den Ungläubigen blühen. (2 Petr. 2,12)

Theist: Das ist eines der besten Beispiele dafür, dass man eben nicht Alles, was in der Bibel steht, wortwörtlich nehmen darf.

Skeptiker. Gilt das auch für den Auferstehungsbericht? Ist auch dieser nicht wortwörtlich zu verstehen, sondern nur >im übertragenen Sinne wahr<?

Theist: Nein, der Auferstehungsbericht ist ein Tatsachenbericht und deshalb wortwörtlich zu nehmen. Jesus, der ehemals Tote, wurde als Lebender von einer Wolke erfasst und schwebte, vor den Augen seiner Anhänger, gen Himmel.

Skeptiker: Schade, dass dieses höchst bemerkenswerte Geschehen nur Anhänger Jesu gesehen haben und sonst niemand. Aber nenne mir doch einmal das Kriterium, mit dessen Hilfe unterschieden werden könne, welche Passagen in der Bibel >wortwörtlich< zu nehmen seien und welche nicht? Ich frage dies deshalb, weil fundamentalistisch Gesinnte darauf pochen, dass alle Aussagen der Bibel wortwörtlich zu nehmen seien, weil kein anderer als GOTT selbst sie diktiert habe. Deshalb meinen christliche Fundamentalisten auch, dass die Erde vor nicht einmal 7ooo Jahren in 6 Tagen geschaffen worden sei. Und Zyniker weisen darauf hin, dass dieses Kriterium sich immer wieder ändert, je nach dem herrschenden Zeitgeist. Einmal, etwa zur Zeit der Kreuzzüge, war Jesus auf die Erde gekommen, >um das Schwert zu bringen<, dann aber war er gekommen, um die Armen selig zu sprechen und ihnen das Königreich zu verkünden. Also nach welchem Kriterium wird hier geurteilt?

Theist: Nicht der Zeitgeist bestimmt das Kriterium, nach dem Wichtiges von Unwichtigem getrennt werden kann, sondern es ist der hl. Geist, der dem Zeitgeist gemäß urteilt, damit möglichst viele Seelen gerettet werden können.

Skeptiker: Also ist der Zeitgeist wichtiger als die Botschaft selbst, die in Wirklichkeit nur ein Selbstbedienungsladen ist, aus dem geholt wird, was gerade opportun ist? Aber ich würde vorschlagen, dass wir diesen Punkt einmal aufs Eis legen, da wir auf die Bibel ja ohnedies noch ausführlich zu sprechen kommen werden.

Theist: Einverstanden.

Skeptiker: Widmen wir uns also noch einmal dem Problem des Leids der Tiere. Also du meinst, dass deren Schmerzen nicht durch jenseitige Freuden kompensiert werden, wohl aber die Leiden der Menschen.

Theist: Genau.

Skeptiker: Aber das ist sehr ungerecht und eines gütigen GOTTES unwürdig.

Theist: Warum?

Skepiker: Weil das Leid der Tiere zu den erschütternden Dingen dieser Welt gehört. Und alles dies umsonst? Ein bloßes Mittel für menschliche Interessen? Ihre traurigen Augen, insbesondere vieler Nutz- und Haustiere, gehören für mich ….

Theist: Wie bereits gesagt: Du scheinst dich mehr über das Leid der Tiere als über das der Menschen zu empören.

Skeptiker: Nein, das tue ich gewiss nicht. Aber warum hat GOTT, wenn ER Tiere extra für den Himmel schafft, nicht auch gleich den Menschen nur für den Himmel geschaffen? Unendliches Leid wäre uns dann erspart geblieben.

Theist: Weil der Allmächtige mit den Menschen etwas Großes vorhat. Und eben dies ist auch die Antwort auf das Problem, das der Tod des Kindes durch Blitzschlag aufgeworfen hat.

Skeptiker: Also lass’ doch vom Plan GOTTES hören. Was sind nun deine guten Gründe, mit deren Hilfe die Liebe GOTTES trotz der Leiden der Welt gezeigt werden könne?

Theist: GOTT greift deshalb in den Ablauf der Natur nicht ein, weil ER in den Menschen Mitleid erzeugen und ihren moralischen Drang, die Welt zu verbessern, keinesfalls behindern will.

Skeptiker: Aber das ist kein sehr überzeugendes, wenn auch oft gehörtes Argument. Denn viele können wegen der Leiden der Welt überhaupt kein Mitleid mehr empfinden. Sie sind vielmehr verbittert und verhärmt. Aufgrund der Größe und Fülle an Leid, mit denen Menschen häufig konfrontiert sind, verspüren sie überhaupt keinen >Drang< mehr, die Welt zu verbessern. Oft wollen sie nur noch zerstören, was ihnen leider auch allzu oft gelingt. Nicht übergroßes Leid, sondern Verständnis und Zuneigung und Vertrauen und Geborgenheit sind der Nährboden für den >Drang, die Welt zu verbessern<. Gerade deshalb hätte ein gütiger GOTT allen Grund, die Leiden der Welt zu vermindern.

Theist: Aber GOTT greift deshalb in die Naturgesetze nicht ein, weil er damit die natürliche Ordnung als Ganze durcheinander brächte. ER kann sich doch nicht jedes Mal einmischen, wenn gerade ein Problem auftaucht!

Skeptiker: ER sollte sich aber zumindest dann einmischen, wenn besonders Schreckliches passiert. Und ER könnte auf eine Weise eingreifen, dass dies von Menschen gar nicht bemerkt würde.

Theist: Das hatten wir schon.

Skeptiker: Außerdem hätte GOTT die Welt von vorneherein besser schaffen sollen.

Theist: Das wohl keinesfalls. Wie bereits der berühmte Leibniz gezeigt hat, ist die Welt, in der wir leben, die bestmögliche. Denn GOTT entscheidet sich nur für etwas, das IHM gefällt, und IHM gefällt aufgrund seiner Allgüte nur das Allerbeste.

Skeptiker: Das ist schön gesagt. Außerdem halte ich es für durchaus plausibel, dass GOTT, wenn ER allgütig und gerecht wäre, sich so entschieden hätte. Aber du musst erst noch zeigen, dass es diesen GOTT gibt. Und dafür, dass es ihn nicht gibt, spricht allein schon die Tatsache, dass diese Welt nicht >bestmöglich< ist. Du wirst doch wohl nicht ernsthaft behaupten wollen, dass die Welt, in der wir leben, bestmöglich sei! Denn viele Welten sind denkbar, die besser sind als diese, beispielsweise eine Welt, in der es aufgrund eines kleinen Wirkstoffs keine Zellenwucherung mehr gibt. Dass die Welt nicht bestmöglich ist, zeigt sich allein schon daran, dass Menschen, wenn sie nicht gerade auf einer sehr fruchtbaren Insel in der Südsee leben, ständig gezwungen sind, ihre Lebensumstände zu erhalten oder zu verbessern. Außerdem ist mir unklar, was mit >bestmöglich< gemeint sein könnte. >Bestmöglich< ist nämlich ein gänzlich unbestimmter Begriff, da sich bei der Endlichkeit alles Geschaffenen über jede bestimmte Welt hinaus noch eine bessere denken lässt, wie über jede möglichst große Welt noch eine größere ...

Theist: ... und über jede große Zahl noch eine größere. Aber es ist doch überhaupt nicht nötig, in diesem Sinne von >bestmöglich< zu sprechen. Es genügt, von einer guten Welt zu reden.

Skeptiker: Einmal abgesehen davon, dass diese Welt wohl auch nicht einfach gut ist, so hattest doch du im Anschluss an Leibniz von >bestmöglich< gesprochen, und ich meine, dass du in diesem Punkt durchaus konsequent warst. Denn du behauptest doch auch die Existenz eines bestmöglichen und nicht bloß die Existenz eines guten GOTTES! Auch dies ist meines Erachtens sehr plausibel, denn wäre GOTT nur >gut< und nicht vollkommen gut, so könnten wir ein besseres Wesen, einen vollkommen guten GOTT nämlich, zumindest denken. Wenn du nun aber GOTT nur noch >gut< nennst, dann taucht die Frage auf, ob du überhaupt das Höchste Wesen verehrst oder nicht. Du solltest also am traditionellen Weltbild, demzufolge GOTT >die positiven Eigenschaften in höchsten Maße in sich vereint<, festhalten.

Theist: Danke für die Belehrungen, aber du rennst hier ohnedies offene Türen ein. GOTT ist das vollkommenste Wesen und schuf die beste aller möglichen Welten.

Skeptiker: GOTT hatte also viele Möglichkeiten vor sich und wählte daraus die beste. Aber was heißt das eigentlich genau?

Theist: Das ist wirklich kein Problem: GOTT sah vor sich alle möglichen Welten und wählte aufgrund seiner Allgüte die beste.

Skeptiker: Wenn du meinst, dass ER auch den Fortgang der Anordnungen durch alle Zeiten bis in alle Ewigkeit bedacht hatte, dann stellt sich zumindest die Frage, wie ein solches göttliches Vorauswissen mit der postulierten Willensfreiheit der Menschen verträglich sein sollte.

Theist: Ich meine nicht, dass GOTT alles bis zum Ende der Welt vorausgesehen hat, sondern …

Skeptiker: … was heißt, wenn >Wissen< gar kein Vorauswissen einschließt, dann aber noch allwissend?

Theist: … sondern dass ER die unendliche Vielfalt >erster Anordnungen< sah und daraus die bestmögliche auswählte.

Skeptiker: Aber auch das kann kaum stimmen, denn weshalb gibt es beispielsweise die von Ökonomen so oft beschworene >Unsichtbare Hand< dann nicht öfter?

Theist: Was meinst du damit?

Skeptiker: Es ist dies ein – übrigens mit dem Namen Adam Smith verknüpfter – Prozess, demzufolge das Böse zum Gutem führt, in diesem Fall: Das egoistische Handeln der Einzelnen führt aufgrund der Marktmechanismen zu einem allgemeinen Gut. Private vices, public virtues, wie schon Bernard Mandeville es formulierte. Goethe konstruierte dann einen mephistophelischen Geist, >der stets das Böse will und stets das Gute schafft<. Aber warum gibt es diesen Zusammenhang von >unmoralischer Absicht und gutem Ergebnis< nicht viel häufiger? Denn anstelle des Prozesses der >Unsichtbaren Hand< existiert oft das Gegenteil: Böses zieht wieder Böses nach sich. >Wer Gewalt sät, wird Gewalt ernten<, heißt es so treffend …

Theist: Im ursprünglichen Plan GOTTES gab es überhaupt nichts Böses. Aber die Menschen haben alles verdorben. Sie haben das Geschenk der Freiheit missbraucht. Sie haben sich gegen GOTT gestellt und wurden gerechterweise dafür bestraft. Dann erst kam das Negative – Der Tod ist der Sünde Sold! – in die Welt.

Skeptiker: Also du meinst, dass erst durch die Sünden des Menschen das Negative in die Welt gekommen ist?

Theist: Genau. So steht es in der Bibel.

Skeptiker: Aber auch hier regen sich meines Erachtens berechtigte Zweifel. Denn wenn man der Wissenschaft trauen darf, dann gab es schon Leid und Tod, noch ehe Menschen das Schlachtfeld betraten– und >sündigten<. Aber lassen wir auch diesen Punkt beiseite, der dir vielleicht als zu empirisch-banal erscheinen mag. Mich interessiert nämlich weit mehr, ob es menschliche Freiheit überhaupt gibt, wie du behauptest. Ich frage dies deshalb, weil Menschen sich doch immer ihrem stärksten Antrieb gemäß entscheiden, also gar nicht >frei und ungebunden< sind. Aber woher kommen denn diese Antriebe? Warum sind wir aus so krummen Holz geschnitzt, wie schon Immanuel Kant sich verwundert fragte?

Theist: So, wie alles in der Welt, stammen natürlich auch unsere Antriebe, unsere Natur, letztlich von GOTT, der Alles aus dem Nichts geschaffen hat, wie uns die Bibel lehrt.

Skeptiker: Aber dann ist wohl ER und nicht der Mensch schuldig zu sprechen, wenn sich der Mensch seinen Antrieben gemäß >falsch< entscheidet. Aber wenn GOTT schuldig ist, dann ist die Paradiesvertreibung ungerecht; und das Drama um den >zweiten Adam<, also um Jesus, >das Lamm GOTTES, das hinweg nimmt die Sünden der Welt<, ist wider alle Logik.

Theist: Wie bitte?

Skeptiker: Zuerst werden die Menschen, wie die Bibel berichtet, mit verschiedenen Antrieben und Wünschen aus dem Nichts von GOTT geschaffen. Es war dies eine Creatio ex nihilo, eine >Schöpfung aus dem Nichts<, wie Theologen sagen. Dann werden die Menschen von GOTT verdammt, weil sie selbstständig sein wollten und ein vergleichsweise kleines Gebot übertraten. Dann sind sie, nachdem sie das Schlimmste getan haben – nämlich GOTT, den Schöpfer Himmels und der Erde, getötet haben –, prinzipiell gerettet. Wer mag das, außer Paulus und Psychoanalytikern vielleicht, verstehen? Und meinst Du denn wirklich, ein allgütiges Wesen käme auf keine andere Idee, sich mit seinen Untertanen zu versöhnen, als seinen einzigen Sohn bzw. sich selbst von diesen kreuzigen zu lassen?

Theist: Nur nicht so hastig. Nun habe ich erkannt, welch’ üble Strategie du verfolgst. Du willst nicht wirklich überzeugen, sondern nur verblüffen und überreden, und schlägst wie ein eitler Pfau deine Räder. Die Sache ist nämlich so...

Skeptiker: Bitte antworte, ehe du mir Unterstellung und Provokation vorwirfst und so die Glaubwürdigkeit skeptischer Argumente in Zweifel ziehen willst: Sind die ersten Menschen nun schuldig geworden oder sind sie es nicht? Und woher kam das >besonders listige< Wesen, das Adam und Eva verführt hat, als diese noch über kein umfassendes Wissen darüber verfügten, was gut und was böse sei? Denn vom Baum der >Erkenntnis dessen, was gut und böse< ist, hatten sie noch gar nicht gegessen. Warum hat GOTT also nicht eingegriffen, als die Schlange sie, die noch Unwissenden, belog? Da GOTT die Welt aus dem Nichts geschaffen hat, wie Du sagst, muss im Übrigen auch die Schlange ein Geschöpf GOTTES sein. Warum wurde dann sie und wurden vor allem die ersten Menschen bestraft?

Theist: Das alles, also auch die Ursünde der Menschen, ist Ausdruck SEINER Gerechtigkeit. Satan wurde bestraft, weil er als Schlange die Menschen verführt hat, und die Menschen wurden bestraft, weil sie die Gebote GOTTES nicht befolgt hatten.

Skeptiker: Das will mir nicht einleuchten, da ich nicht einsehen kann, wie es gerecht sein sollte, dass GOTT an seinen Geschöpfen Dinge verurteilt, die letztlich von IHM selbst stammen. Nochmals: Woher, wenn nicht vom Schöpfer Himmels und der Erde, sollte die behauptete Verderbtheit der Menschennatur stammen, wenn alles aus dem Nichts geschaffen wurde? Woher der Wunsch einiger, so zu sein wie GOTT? Und warum wird weiterhin von allen christlichen Kanzeln verkündet, dass das Negative im göttlichen Schöpfungsplan ursprünglich gar nicht enthalten war, sondern dass alles Negative erst durch die Verfehlungen der ersten Menschen – >durch unsere Schuld, durch unsere Schuld, durch unsere übergroße Schuld< – in die Welt kam?
Aber selbst dann, wenn die Bestrafung Satans und der ersten Menschen gerecht gewesen sein sollte ... Was ist denn das für eine Gerechtigkeit, der zufolge alle späteren Generationen für die Vergehen der ersten Menschen bestraft werden und deshalb der priesterlichen Taufe bedürfen? Wie vertragen sich Gerechtigkeit und Kollektivschuld?

Theist: Das ist ein echtes Problem, zugegeben. Aber vielleicht hat GOTT die Welt gar nicht aus dem Nichts geschaffen, sondern ER fand die Materie bereits vor, aus der er dann mit bestem Wissen und Gewissen die Erde und die Lebewesen formte. Aber alles konnte ER eben nicht mehr gut machen, sondern war in gewisser Weise bereits festgelegt.

Skeptiker: Aber was heißt denn dann noch >allmächtig<. Und vor allem: Wenn sich alles so ereignet hat, wie du – und vor dir schon Platon – nun behauptest, so gab es zumindest zwei ewige Dinge: GOTT und die Materie, und letztere wurde gerade nicht von GOTT geschaffen. Warum nennst du ihn dann weiterhin >Schöpfer Himmels und der Erde<?

Theist: Gut, da bin ich wohl in eine Sackgasse geraten, aber das war allein meine Schuld. Denn ich halte mich nicht an das Wort GOTTES gehalten, demzufolge der Allmächtige die Welt eindeutig aus dem Nichts geschaffen hat. Warum ER den Menschen oder die ersten Engel dann nicht besser gemacht hat, weiß ich zwar nicht, aber immerhin war GOTTES Liebe so groß, dass er seinen eingeborenen Sohn für uns hingab.

Skeptiker: Aber es wäre besser und barmherziger gewesen, hätte ER Jesus und uns allen dieses Drama erspart und den ersten Menschen einfach verziehen, wie ja auch Muslime glauben.

Theist: Ach die ...

Skeptiker: Wie bitte? Wo bleibt denn deine Nächstenliebe, die du von anderen forderst? Nicht einmal Andersgläubige, ebenfalls geistige Söhne Abrahams, scheint diese Liebe einzuschließen, von Ungläubigen, Agnostikern und Atheisten einmal ganz zu schweigen.

Theist: Lieben tue ich dich ja wirklich nicht, das muss ich zugeben, aber Immerhin rede ich mit dir und nehme deine Einwände ernst, diese Ergüsse eines frustrierten, gebrochenen Lebens.

Skeptiker: Bumm, das war aber deutlich. >Wenn man das Denken nicht attackieren kann, dann attackiert man den Denkenden<, wusste schon André Heller. Dennoch: Ich schätze an Dir, dass du nicht immer mit >Jein< oder >Jein, aber< antwortest wie es einem modernen Theologen zu geziemen scheint, den vielen Drewerfrauen und Küngkongs. Nun gut: Ich nehme deinen Eindruck ernst und setzte einmal voraus, dass trotz Evolution – also Fressen und Gefressenwerden – und trotz Massensterben die Gesetze der Natur >bestmöglich< seien. Aber GOTT könnte doch die zweifellos auch vorhandenen, überaus negativen Auswirkungen dieser Naturprozesse durch Eingriffe in den Ablauf der Natur, also durch Wunder, immer wieder verhindern.

Theist: Das kann ER nicht. Auch GOTT kann doch nicht gewaltsam in die Ordnung der Natur eingreifen.

Skeptiker: Aber warum nennst du ihn dann >allmächtig<? Wenn GOTT tatsächlich nicht in die Ordnung der Natur eingreifen kann, dann ist ER nicht einmal so mächtig wie seine Geschöpfe. Denn wir Menschen können in beträchtlichem Umfang in die Ordnung der Natur eingreifen und tun dies auch ständig, etwa dann, wenn wir einen Blitzableiter bauen oder die Aids-Erreger bekämpfen. Außerdem sind die heiligen Bücher von Berichten über GOTTES wunderbare Eingriffe in den Naturprozess übervoll. Denke nur an die Verwandlung von Wasser in Wein oder an die wundersame Brotvermehrung oder, unüberbietbar, an die Erweckung von bereits Verwesten. Sind alle diese Passagen nicht ernst zu nehmen? Wenn du diese Frage bejahst, warum nennst du die Bibel dann immer noch >GOTTES Wort<? Übrigens wird auch im AT von vielen Wundern berichtet, etwa vom Stillstand der Sonne, und auch in der Geschichte der Kirche ereigneten sich viele wunderbare Dinge: Nicht nur Jesus ist von den Toten auferstanden, sondern einige Heilige vermochten sogar schwerelos zu schweben.

Theist: Gut, es gab Wunder, also Eingriffe GOTTES in die Naturprozesse. Aber diese Eingriffe sind selten, denn GOTT wollte die Ordnung der Naturgesetze nicht über Gebühr gefährden.

Skeptiker: Nun, von so wenigen Wundern wird gar nicht berichtet, was ja auch einen überzeugenden Grund hat.

Theist: Und der wäre?

Skeptiker: In einer vollständig geregelten Welt, in der alles in Einklang mit den Naturgesetzen abliefe, gäbe es keine lebendige Beziehung zwischen GOTT, dem Schöpfer, und den Menschen, den Ebenbildern. Sie wäre eine Welt, in der GOTT im Voraus geplant hätte, was geschehen soll. Aber in einer derartigen Welt bliebe das Verhältnis der Menschen zu GOTT sehr unpersönlich. Viele Gläubige meinen, dass ihr Leben voller Wunder sei, seitdem sie bemerkt haben, >wie GOTT in ihnen arbeitet<. Sie meinen sogar, dass sie mit IHM einen wirklichen Dialog führen, IHN manchmal sogar von einem Tun abhalten oder IHN zu einer Handlung motivieren, also SEINEN Willen beeinflussen können. Du wirst doch zugeben, dass auch die Beziehung zwischen Jesus und seinen Jüngern dadurch noch um einiges persönlicher wurde, dass der Tote plötzlich vor ihnen stand und ein wenig Fisch aß.

Theist: Das stimmt. Also: Es gibt nicht nur die eherne Ordnung der Naturgesetze, sondern gelegentlich greift GOTT in den Naturprozess ein. Während GOTT sogar die Naturgesetze ändern kann, können wir Menschen – natürlich nur mit Hilfe anderer Naturgesetzmäßigkeiten – die jeweils gegebene natürliche Ordnung ändern.

Skeptiker: Das ist eine sehr wichtige Präzisierung: GOTT kann in die Naturgesetze eingreifen, und wir Menschen können, mit Hilfe anderer Naturgesetze, die jeweils gegebene Ordnung der Natur ändern. Aber wenn GOTT gelegentlich sogar in die Ordnung der Naturgesetze eingreift, warum tut er dies nicht häufiger zugunsten SEINER Ebenbilder? Und wie willst du denn wissen, wann GOTT nun eingegriffen hat und wann nicht? Und dass tatsächlich GOTT und nicht einer der gefallenen Engel – Satan beispielsweise, der angebliche >Fürst dieser Welt< – seine böse Hand im Spiel hatte?

Theist: Was soll denn das nun schon wieder heissen? Gerade erst hattest du zugegeben, dass die Bibel von Berichten über die von GOTT geschaffenen Wunder voll ist. Ist dies nicht Grund genug?

Skeptiker: Ich meine, wie kannst du wissen, dass diese Wunder überhaupt stattgefunden haben und tatsächlich GOTT der Urheber war?

Theist: Aber die Bibel ist das wahre Wort GOTTES.

Skeptiker: Woher weißt du das?

Theist: Weil es so geschrieben steht.

Skeptiker: Wo steht es geschrieben?

Theist (mit Backenknochen aus Marmor): In der Bibel natürlich!

Skeptiker: Aber die Vertrauenswürdigkeit der Bibel muss erst noch begründet werden. Du kannst sie nicht einfach voraussetzen und aufgrund dieser Voraussetzung die Begründetheit der Wunderberichte behaupten. Das ist gerade so, als würdest Du auf meine berechtigte Frage: >Warum p?< antworten: Weil p. Das ist keine Begründung, sondern eine Trotzreaktion, die im Übrigen auch bei vielen Muslimen ständig zu beobachten ist. Sie halten den Koran für ebenso wahr wie du die Bibel, denn der Koran soll Mohammed vom Erzengel Gabriel direkt diktiert worden sein. Und aus den Koran ist zu lernen, dass zwar Jesus ein wichtiger Prophet, aber keinesfalls GOTT selbst war. Ja, die Vorstellung vom leidenden GOTT am Kreuz ist für viele Muslime eine schlimme Gotteslästerung. Wer hat denn nun recht? Welche Offenbarung GOTTES ist die richtige?

Theist: Für die Wahrheit der christlichen Wunderberichte spricht, dass die Apostel sie berichten.

Skeptiker: Aber sind diese vertrauenswürdig? Denn den Wunderberichten, die eine bestimmte Religion als die wahre auszeichnen sollen, widersprechen all jene Wunderberichte, die die Wahrheit der anderen Religionen bezeugen sollen; und zudem widersprechen den Wunderberichten zahllose alltägliche Erfahrungen.

Theist: Gib’ mir dafür ein Beispiel.

Skeptiker: Zum Beispiel verdient die Verwandlung von Wasser in Wein nur deshalb die Bezeichnung >Wunder<, weil Wasser sich üblicherweise nicht in Wein verwandelt. Aber genau das bedeutet auch, dass ein ganzes Naturgesetz gegen die Wahrheit des Wunderberichts spricht. Jedes Mal, wenn du beobachtest, dass Wasser sich nicht in Wein verwandelt, nimmst du etwas wahr, das zur einmaligen Beobachtung der Evangelisten in Widerspruch steht. Schon deshalb sollten wir den Berichten aus heiligen Büchern mit größter Skepsis begegnen: Diese sind möglicherweise wahr, aber sie sind äußerst unwahrscheinlich.

Theist: Aber die Apostel lügen nicht.

Skeptiker: Woher willst du denn das, 2ooo Jahre später, wissen? Außerdem stammen die Berichte wohl kaum von den Aposteln, den Zeitzeugen Jesu selbst. Sie stammen vielmehr, 35 bis 70 Jahre nach dem Geschehen, von Anhängern Jesu, noch dazu in einer Sprache verfasst, die der unverheiratete Rabbi aus Nazareth gar nicht gesprochen hat. Und selbst dann, wenn die Evangelisten nicht bewusst gelogen hatten, so könnten sie sich doch geirrt haben. Du darfst eben nicht vergessen, dass jedes Wunder einem Naturgesetz widerspricht – wie du ja auch richtigerweise sagst –, woraus jedoch folgt, dass der Bericht von der Existenz eines Wunders höchst unwahrscheinlich ist. Zudem gibt es eine psychologische Bereitschaft, derartige Berichte für wahr zu halten, und der Wunsch könnte demnach der Vater des Gedankens gewesen sein. Denn wie schon David Hume …

Theist: Nun aber greifst du in die allerunterste Schublade, in der La Mettrie, Holbach und eben Hume vor sich hinmodern.

Skeptiker: … wie schon David Hume bemerkte, irren Zeugen manchmal. Sie sind also selbst Opfer kognitiver Täuschungen oder des Betrugs anderer. Aber manchmal lügen sie, wollen also andere täuschen, und zwar aus Eitelkeit und Machtwille. Denn, so Hume weiter, es gibt kaum eine bessere Möglichkeit, Aufmerksamkeit unter Mitmenschen zu erregen, als für einen >Beauftragten, einen Propheten und Sendboten des Himmels gehalten zu werden<.

Theist: Ich billige dir zu, dass es nicht einfach ist, von anderen bezeugte Wunder zu begründen ...

Skeptiker: Und selbst dann, wenn ihre Existenz begründet und gezeigt werden könnte, dass nicht Satan der Urheber des wunderbaren Geschehens war, so tauchte sogleich das bereits genannte Problem auf, dass nicht einzusehen ist, weshalb der Allgütige nicht häufiger Wunder zur Unterstützung der Menschen veranstaltete. Warum sollte der himmlische Vater bei einer Hochzeit Wasser in Wein verwandeln, aber bei Völkermord und beim Feuertod von Kindern und Hunden zuschauen? Fast jeder Mensch behinderte einen Tyrannen, zumindest die schlimmeren Handlungen auszuführen – vor allem dann, wenn dieses Tun mit keinerlei Gefahren, wie dies natürlich für GOTT gilt, verbunden ist. Aber der Allmächtige tut es nicht. Willst du immer noch behaupten, ER sei >gut< und gerecht?

Theist: Selbstverständlich, denn es gibt noch eine Vielzahl weiterer Gründe, die zeigen, dass GOTT alle positiven Eigenschaften in höchstem Maße in sich vereint. ER schickte nämlich alles Leid, damit wir aus Kontrastgründen überhaupt erkennen können, was gut und gerecht sei.

Skeptiker: Aber dafür brauchen wir doch keine Naturkatastrophen oder Konzentrationslager, in denen Monster in Menschengestalt ihr Unwesen treiben. Jedes menschliche Wesen, sofern es gerecht empfinden kann oder sogar gütig ist, würde – wenn es die Macht dazu besäße – einem solchen Ausbruch an roher Gewalt und Zerstörung augenblicklich Einhalt gebieten ...

Theist: Du wiederholst dich.

Skeptiker: Solche Menschen, und das sind wohl die meisten von uns, sind offenbar keine Ebenbilder GOTTES, der – sollte ER denn tatsächlich existieren – wie ein Riesenkauz vom Ast eines Baumes dem Treiben interessiert zuschaut … und nichts tut. Wo bleibt denn die angeblich >sich grenzenlos verströmende Güte GOTTES< angesichts der Übel der Welt?

Theist: Ich sage nur: Das hatten wir schon gehört …

Skeptiker: Angesichts der Leiden der Welt ist nicht die Verteidigung GOTTES plausibel, die Anklage ist es. Aber bitte, da dich meine Empörung mehr als dieser moralische Skandal zu stören scheint, kehren wir zu deinem letzten Rechtfertigungsversuch zurück: Du meintest, dass alles Leid ein notwendiges Kontrastmittel sei. Alles? Es genügten wohl schon einmalige Zahnschmerzen oder ein gelegentliches Gefühl der Langeweile. Es stimmt auch nicht, was man manchmal in diesem Zusammenhang zu hören bekommt, dass Menschen so drastische Beispiele benötigen, damit sie überhaupt moralisch reagieren.

Theist: Lange habe ich mich beherrscht und zugehört, aber jetzt platzt mir endgültig der Kragen: Ich bin schockiert über deine Ausfälle gegen den Allerhöchsten. Mäßige deine Empörung, sonst könnte man meinen, dass du in Wirklichkeit mit dir selbst haderst und den Gläubigen in dir bekämpfst. Alle deine Anwürfe gehen ohnedies ins Leere, denn ich habe schon wiederholt bemerkt, dass GOTT eine >höhere Moralität< eigen ist. SEINE Wege sind nicht die unseren. Wir können keine menschlichen Maßstäbe an das göttliche Tun anlegen. Was uns gelegentlich als böse erscheinen mag, das ist GOTT zufolge gut.

Skeptiker: Das ist eine Moral, in der schwarz weiß genannt wird. Aber allgütig heißt doch >übergütig< und nicht >böse<. Ein Kreis, einmal unvollkommen gezeichnet und einmal vollkommen, bleibt immer noch ein Kreis und wird nicht zum Würfel. Wie willst du eigentlich deinen GOTT vom fürchterlichsten Dämon unterscheiden, der ja auch behaupten könnte, seine Moral sei nicht-menschlich? Die Abwehr vom Dämonenglauben ist aber ein Leitmotiv des Alten und Neuen Testaments.

Theist: Unser GOTT, der Schöpfer Himmels und der Erde, ist kein Dämon, sondern ein Vater, und wir sind seine Kinder. Wie sollten Kinder imstande sein, die Entscheidungen ihrer Eltern zu beurteilen?

Skeptiker: In der Tat werden Kinder über die Entscheidungen ihrer Eltern gelegentlich erstaunt sein, aber sie werden nur dann vertrauen, dass ihre Eltern es gut mit ihnen meinen, wenn sie über zahlreiche Beispiele verfügen, in denen die Eltern sich als vertrauenswürdig erwiesen haben. Aber die Welt, wie sie ist, gibt nun einmal kaum Hinweise auf die Güte des Schöpfergottes, weshalb es das akute Theodizeeproblem ja auch gibt.

Theist: Aber das Feuer, in dem das Kind verbrannt ist, hat GOTT nun wohl mit Bestimmtheit nicht entfacht.

Skeptiker: Wohl nicht direkt, wenngleich du ja auch die Allmacht und Allgegenwart GOTTES behauptest. Aber zumindest indirekt ist ER daran schuld. Denn woher die Gesetze der Natur? Aber stell’ Dir einmal ein Kind vor, das im Feuer langsam verbrennt, und einen GOTT, der sein Handeln auf deine Weise rechtfertigt: >Ich wollte den moralischen Drang der Eltern nicht stören, außerdem hatte ich darauf zu achten, dass die Naturgesetze eingehalten werden und schließlich habe ich das Feuer gar nicht entfacht.< Würdest Du ein solches Wesen allgütig nennen?

Theist: Aber GOTT ist eben nicht bloß gut, sondern auch böse. Wirklichkeit und Bibel offenbaren ein ambivalentes, dualistisches Wesen. GOTT ist die coincidentia oppositorum, die Einheit der Gegensätze. Deshalb ist der GOTT der Bibel auch der GOTT der Rache, der GOTT der Eifersucht, der GOTT der Barmherzigkeit, der Herr der Heerscharen und der Friedensfürst. Der GOTT Adams ist eifersüchtig, der GOTT Mose ist namenlos, der GOTT Jesu ist gut und gerecht.

Skeptiker: Schön gesagt, aber wenn das so ist, dann kann ein bibelfester Gläubiger nur über eine wankelmütige Moral verfügen.

Theist: Sehr richtig.

Skeptiker: Also die Bibel offenbart ein böses, genauer gesagt: ein dualistisches göttliches Wesen? Bereits Zenon, der Stoiker, hatte im übrigen gemeint, dass GOTT >auch die Übel in der Welt bewirkt, denn er wohnt auch in Abwässern, in Spülwürmern und in Verbrechern.< Zwar wird der biblische GOTT oft gut und gerecht genannt, aber gleichzeitig tut ER Dinge, die man wohl nur böse nennen kann. Denke nur an die ewigen Höllenstrafen, die im Neuen Testament für Sünder in Aussicht gestellt werden. Der eifersüchtige Jahwe des AT hatte nur den Tod geschickt, aber der liebe GOTT des NT schickt den ewigen Tod. Die Hölle ist ja für seine Insassen ein äußerst bedauernswerter Ort, der üblicherweise detaillierter als der Himmel geschildert wird. Was sich in der Hölle abspielt, das hat die religiöse Phantasie ziemlich deutlich gemacht – Heulen und Zähneknirschen –, aber wodurch zeichnet sich der christliche Himmel aus? Es werde, so die spärlichen Angaben, kein Leid mehr geben, auch keinen Tod, keinen Alkohol, und schon gar keine, wie manche Muslime meinen, stets willigen Jungfrauen. Also wie muss man sich den Himmel vorstellen, dieses ewige Eiapopeia?

Theist: Glücklicherweise hat Thomas von Aquin eine konkrete Beschreibung himmlischer Freuden gegeben. Dem >ersten Lehrer der heiligen katholischen Kirche< zufolge werde es zu den Glückseligkeiten der Geretteten gehören, dass sie GOTT schauen und die Leiden der Verdammten in der Hölle beobachten dürfen.

Skeptiker: Gleichsam im red light district? Aber aller Heiligkeit zum Trotz: >Freude am Leid anderer< ist die klassische Definition von Sadismus; und für die meisten Menschen, natürlich auch für die meisten modernen Katholiken, wäre ein solcher Himmel die reine Hölle. Aber von der genauen Beschaffenheit des Himmels einmal abgesehen: Ist es nicht schon verwerflich, wenn GOTT für endliche Vergehen unendliche – ewige – Strafen ausspricht? Ebenso unmoralisch ist es, eine Kollektivschuld zu verkünden, also Menschen für die Taten ihrer Vorfahren zu bestrafen; und schließlich ist es unmoralisch, allmächtig zu sein und doch so ungeheuer viel Leid in der Welt zuzulassen. GOTT offenbart sich also in der Bibel häufig als Wesen, das nach Motiven handelt und Absichten verfolgt, die unter menschlichen Umständen als böse gelten müssen. Manchmal ähnelt GOTT einem rachsüchtigen Dämon, manchmal einem gereizten Tyrannen und manchmal einem bösartigen und unbesonnenen Kind. Gewiss: Wenn GOTT über Motive dieser Art verfügt, dann ist es nicht schwierig, SEINE Existenz mit der Existenz von Übeln in Einklang zu bringen ,...

Theist: Na siehst du ...

Skeptiker: ... aber die Konzeption eines dualistischen GOTTES, der viel besser als der liebe christliche Vater der Wirklichkeit entspricht, wirft sogleich fundamentale Folgeprobleme auf.

Theist: Und die wären?

Skeptiker: Ein solches ambivalentes Wesen kann keine moralische Autorität, insbesondere kein Garant für eine jenseitige Gerechtigkeit sein, denn diese setzt einen gerechten GOTT voraus. Außerdem ist mir völlig unklar, wie du unter Zugrundelegung eines dualistischen Gottesbildes weiterhin behaupten kannst, dass alles Leid einen Sinn mache und dass GOTT das heiligste Wesen sei.

Theist (zögernd): Das habe ich wohl nicht so recht bedacht. Die Behauptung, dass GOTT auch böse Absichten hat und verwerfliche Handlungen setzt, war doch ein wenig zu voreilig ... Ich halte also weiterhin daran fest, dass das traditionelle Gottesbild richtig ist: ER ist vollkommen gut, gerecht, weise, allwissend und allmächtig, Die Bibel sagt ja, dass GOTT gut ist (Jakobus 1,17), dass in GOTT Licht und keine Finsternis ist (1. Johannes 1,5). Deshalb ist GOTT auch Garant für eine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits.

Skeptiker: Das letzte ist im Übrigen eine Idee, die auch mich nicht ganz kalt lässt. Denn dass es denen, die im Diesseits Schlimmes erleiden müssen, wenigstens im Jenseits gut gehen möge, entspricht durchaus meinen moralischen Empfinden.

Theist: Fein, da gibt es – außer der Tatsache, dass du dich für diese Themen ebenfalls zu interessieren scheinst – wenigstens eine Gemeinsamkeit.

Skeptiker: Aber wenn auch der Gedanke einer ausgleichenden Gerechtigkeit attraktiv ist, so ist er doch unbegründet, also reines Wunschdenken.

Theist: Und warum?

Skeptiker: Weil die Idee einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits nur Sinn macht, weil es im Diesseits nicht gerecht zugeht – den Guten geht es oft schlecht und den Schlechten geht es oft gut. Im Jenseits soll nun alles, wie der Name schon sagt, ausgeglichen werden. >Dort werde GOTT für alles erlittene Leid und Unrecht Gerechtigkeit üben.< Aber gerade weil das Diesseits so ungerecht ist, ist die Vorstellung von einer jenseitigen Gerechtigkeit wenig plausibel. Denn warum sollte GOTT dort gerecht sein, wenn ER es hier keinesfalls ist.

Theist: Verstehe ich nicht.

Skeptiker: Angenommen – um ein Beispiel von Bertrand Russel weiterzudenken –, man erhält eine Kiste Eier, öffnet diese und sieht, dass die oberste Lage weitgehend verdorben ist. Daraus schließt man dann – wenn man nur gewissenhaft theologische Bücher studiert hat –, dass deshalb, weil die oberste Lage von Eiern verdorben ist, die übrigen vorzüglich sein werden. Viel überzeugender ist allerdings folgender Schluss: Weil die oberste Lage Eier stinkt, ist die Vermutung, dass die Kiste als Ganze verdorben ist, plausibler als die Vermutung, dass sie es nicht ist. Wir haben also bessere Gründe für die Annahme, dass ein GOTT, der sich im Diesseits nicht als gerecht offenbart, es auch anderswo nicht sein wird. Weil GOTT im Diesseits nicht gerecht ist, sollte man ihn überhaupt nicht gerecht nennen; und die Vorstellung einer >ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits<, also die Idee künftiger Belohnungen und Bestrafungen für diesseitiges Verhalten, aufgeben.

Theist: Also du meinst, dass die Idee einer jenseitigen, ausgleichenden Gerechtigkeit nur Sinn macht, wenn es im Diesseits nicht gerecht zugeht. Denn ginge es im Diesseits gerecht zu, dann brauchte man keine ausgleichende Gerechtigkeit im Jenseits zu postulieren. Aber ebendies, nämlich die Ungerechtigkeiten im Diesseits, macht die Idee einer ausgleichenden Gerechtigkeit im Jenseits unplausibel. Denn warum sollte GOTT im Jenseits gerecht sein, wenn ER es hier nicht ist?

Skeptiker: Genau.

Theist: Aber das ist doch alles leeres Gewäsch. Ich habe deine ständigen Wiederholungen satt und glaube weiterhin, dass gezeigt werden könne, dass alle Leiden der Welt verträglich seien mit der Annahme der Existenz eines gütigen und liebevollen GOTTES.

Skeptiker: Auch das größtmögliche Leid?

Theist: Auch dieses.

Skeptiker: Selbst die Vernichtung alles Lebens auf dem Planeten Erde?

Theist: Auch dies. Denn nichts kann geschehen, ohne dass der Allmächtige es will. >Kein Vogel fällt vom Himmel, ohne dass GOTT dies will<, hat Jesus uns gelehrt. Und da es so geschieht, wie es geschieht, will GOTT es, also ist es gut.

Skeptiker: Aber dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was gut ist. Denn dann wollte GOTT natürlich auch die Atombombe und die schrecklichsten Handlungen des grausamsten Tyrannen.

Theist: So kann man dies natürlich nicht sehen, denn GOTT hat den Menschen das größtmögliche Geschenk gemacht, nämlich die Freiheit, sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten zu entscheiden; und weil Menschen die Freiheit missbraucht haben, sind alle Übel in die Welt gekommen.

Skeptiker: Du meinst also, dass es menschliche Freiheit gibt, dass Menschen, ohne durch Motive bestimmt zu sein, sich für das eine oder das andere entscheiden können?

Theist: Genau.

Skeptiker: Aber hast du wenigstens einmal wirklich erlebt, dass du eine bewusste Entscheidung getroffen hast, ohne von Motiven bestimmt zu sein? Hast du dich einmal, völlig grundlos, für das eine und gegen das andere entschieden? Beispielsweise für die Ehe und für deine Frau? Ich glaube, das hast du nie. Der Entscheidung für die Ehe und für deine Frau liegen gewisse Motive und Wünsche zugrunde: dass sie dir eine gute Partnerin ist, dass du dich mit ihr gut aussprechen kannst und dass du regelmäßig guten Sex haben kannst.

Theist: Nein, ich kann Dir versichern, dass ich alle meine wichtigen Entscheidungen getroffen habe, ohne von derartigen Motiven und Wünschen beeinflusst zu sein.

Skeptiker: Also ist dein Wollen, wie sonst nichts in der Makrowelt, akausal.

Theist: Genau: >unverursacht< ist es.

Skeptiker: Wie verhält es sich dann, wenn Entscheidungen völlig frei, also unabhängig von Motiven und Wünschen getroffen werden, mit der menschlichen Verantwortung? Denn dann geschehen Entscheidungen rein zufällig und haben – wie du sagst – nichts mit deinen Antrieben und deinem Charakter zu tun. Warum werden Menschen dann aber für die Entscheidungen, die sie treffen, bestraft? Verantwortung setzt gerade voraus, dass unsere Entscheidungen mit unseren Motiven, unserem Charakter, in Zusammenhang stehen. Also Verantwortung und Akausalität vertragen sich nicht.

Theist: Unsere Entscheidungen sind von Motiven beeinflusst – beeinflusst sage ich, denn wir können uns, mit Hilfe höherer Motive, über die niederen erheben. Und weil wir dies können – genauer: wenn wir dies können –, sind wir auch für unser Tun verantwortlich.

Skeptiker: So sehe ich das auch, allerdings tauchen sogleich zwei weitere Probleme auf, die Schatten auf GOTTES Liebe werfen.

Theist: Und die wären?

Skeptiker: Erstens, GOTT hätte die Menschen mit einer besseren Natur ausstatten können, beispielsweise mit stärkeren altruistischen Motiven und ohne den seltsamen Wunsch, wie ER sein zu wollen. ER hätte sie nämlich mit einem stärkeren Motiv, ein vernünftiges Leben führen zu wollen, ausstatten können. Und zweitens, GOTT hätte die Umstände so schaffen können, dass Menschen ihre Freiheit seltener missbrauchen. Denn viele Vergehen entstehen allein dadurch, dass ER ziemlich schwache Wesen geschaffen hat, die in einer ambivalenten Umgebung gerade noch überleben können. Wesen mit besseren Fähigkeiten und in eine angenehmere Umgebung hineingeboren, handelten auch besser – so wie Wesen mit noch weniger altruistischen Antrieben und in einer noch feindlicheren Umgebung noch verwerflicher handelten. Aber da bessere Welten möglich wären, ist die tatsächliche Welt mit der Behauptung der Existenz eines allgütigen GOTTES unvereinbar.

Theist: Du wiederholst Dich ständig und bist wirklich ermüdend ...

Skeptiker: Ist somit aufgrund all dieser Schwierigkeiten die Annahme der Existenz eines bösen oder dualistischen GOTTES nicht viel plausibler als die Annahme der Existenz eines guten? Was würdest du sagen, wenn jemand behauptete, es gäbe einen allwissenden, allmächtigen, aber allbösen GOTT?

Theist: Dann würde ich sogleich erwidern, dass es in dieser Welt sehr viel Positives gibt, so dass eine solche Behauptung von vorneherein absurd ist. Wozu diese Menge an unnötigem Gut? Sieh’ doch, die Sonne, die Sterne, die Erde, die Menschen.

Skeptiker: Aber unser Dämonenfreund würde nun entgegnen, dass diese Dinge nötig seien, damit – als Kontrast – die Schrecken des Übels besonders intensiv empfunden werden können.

Theist: Aber wir brauchen doch nicht so viele Güter, um dieses Ziel zu erreichen.

Skeptiker: Nun könnte unser Dämonenfreund allerdings folgendes erwidern: GOTT hat Menschen mit einem freien Willen ausgestattet, obwohl er wusste, dass sie damit auch einige gute Handlungen setzen werden. Unglücklicherweise musste GOTT, als ER ihnen das Übel des freien Willens zugestand, auch diese Möglichkeit in Kauf nehmen, und so gibt es eben einige erfreuliche Dinge in der Welt, etwa die Möglichkeit, Theo- und Satanodizeen zu widerlegen.

Theist: Aber GOTTES Allwissenheit, die ein Vorauswissen einschließt, sowie der freie Wille der Menschen sind miteinander unverträglich.

Skeptiker: Angenommen, unser Dämonenfreund hielte auch dieses Argument für richtig, so wird er wahrscheinlich nun folgendermaßen argumentieren: Was wir Menschen gut nennen, ist für GOTT, der einen umfassenden Überblick hat, böse. ER sieht Ereignisse als böse, die wir, aufgrund unserer eingeschränkten Sichtweise, als gut bezeichnen. Alles Positive dient der Steigerung des Bösen, aber als beschränkte Wesen sind wir nicht imstande, dies immer zu durchschauen. Aus jedem Argument, das für die Verträglichkeit der Welt mit der Existenz eines guten GOTTES vorgebracht werden kann, lässt sich also ein Argument zimmern, das für die Verträglichkeit der Welt mit der Existenz eines bösen GOTTES spricht. Der Grund liegt darin, dass wir die Welt als eine Mischung aus gut und böse erleben. Weil dem so ist, können wir mit ebenso überzeugenden Gründen zeigen, dass GOTT gut ist, wie wir zeigen können, dass ER böse ist. Eine Satanodizee ist also genau so plausibel, und damit genau so unplausibel wie eine Theodizee. Die Rechtfertigung der Güte GOTTES angesichts der Übel in einer von ihn abhängigen Welt ist zum Scheitern verurteilt.

Theist: Sehr gefinkelt argumentiert, das wird man dir wohl zugestehen müssen. Aber lasse doch irgendeine Stadt, nein: irgendein Dorf vor deinem geistigen Auge erscheinen und du wirst eine Kirche oder eine Moschee sehen, in der jede Woche des guten und barmherzigen GOTTES gedacht wird. Willst Du wirklich behaupten – Hand aufs Herz! – , dass alle diese Milliarden Menschen irren?

Skeptiker: Es gibt andere Menschen, inzwischen ebenfalls Milliarden, die an keinen guten GOTT, der die reine Liebe sein soll, glauben, und die keinen vernünftigen Grund sehen, ein solches Hirngespinst zu feiern. Es gab einmal eine Zeit, in der die Menschheit bezüglich einer gewissen Vorstellung nicht in Gläubige und Ungläubige zerfiel, sondern – soweit wir wissen – alle waren der Meinung, dass die Erde eine Scheibe wäre. Alle Menschen glaubten dies, und doch war das Geglaubte falsch. Die Tatsache, dass alle Menschen etwas für wahr halten, bedeutet also nicht, dass das Geglaubte auch wahr wäre. Selbst ein genereller Glaube ist also noch kein Beweis für die Wahrheit des Geglaubten.

Theist: Lass’ mich in Ruhe mit deinem kalten Scharfsinn. Wie Goya gezeigt hat, gebiert die Vernunft Gespenster …

Skeptiker: … gebiert der Schlaf der Vernunft Gespenster. Der Mensch entwürdigt sich nämlich nicht durch den Unglauben, sondern durch den Aberglauben.

Theist: Deine oberflächliche Halbbildung ist schwer zu ertragen. Und doch ficht mich das alles nicht wirklich an. Denn das menschliche Herz weiß von Dingen, von denen der Verstand keine Ahnung hat. Dir geht es nur um Wissenstatsachen, mir aber (mit zum Horizont gerichteten Blick), mir geht es um Glaubenswahrheiten!