David Hume, The History of England

Einiges zur Entstehungsgeschichte

Die History of England begründete endgültig David Humes Ruhm als >bedeutendster englischsprachiger Schriftsteller seiner Zeit<. Bis ins 19. Jahrhundert wurde das etwa 4000 Seiten umfassende Werk beinahe Jahr für Jahr, insgesamt etwa 100 Mal, neu aufgelegt; und die History of England war verantwortlich dafür, dass der Autor – zumal in Großbritannien – lange Zeit nicht als Philosoph, sondern als Historiker berühmt war.

Hume, der aus dem kleinen schottischen Landadel stammt, hatte sich zeitlebens für historische Themen interessiert. Seit 1745 schrieb er in seinen Briefen wiederholt von konkreten >historischen Projekten<. Nach der Umarbeitung seines philosophischen Hauptwerks, des Treatise of Human Nature (1739/40), als Enquiry concerning Human Understanding (1748) sowie als Enquiry concerning the Principles of Morals (!751), erschien im Jahre 1754 der erste Band der History of England.

Hume folgte darin folgender Methode: Um die "historischen Thesen zu begründen und das Ganze sehen zu können, beleuchtet Hume die Geschichte immer wieder aus neuen Blickwinkeln: aus der Sicht des Königs, des Volkes, der «Kirk». Sein Blick spannt sich vom Papst zum einfachsten Tagelöhner. In längeren Abschnitten werden die Künste, die Gesetzgebung, die Bildung und der Handel einer Epoche analysiert und zusammengefaßt. Hume kultiviert die Idee der Unparteilichkeit und Objektivität, sein oszillierender Verstand durchbricht ständig Parteienvorurteile, Verengungen des Denkens. Seine Sätze sind sorgfältig ausgewogen, und subtile Ironien geben seiner Prosa besonderen Charme. Der große Reiz der Geschichtsdarstellung Humes ist die harmonische Verknüpfung von Geschichte mit Philosophie, wofür ihm auch die höchste Anerkennung zuteil wurde: Voltaire nannte sie «vielleicht die beste Geschichte, die je geschrieben wurde»."1

Zumindest aufgrund zweier Charakteristika könnte man die History of England tatsächlich als >philosophische Geschichte< bezeichnen: Der Autor wußte um die zentrale Bedeutung der Unparteilichkeit im ethischen Diskurs und versuchte deshalb – soweit ihm dies möglich war –, alle Werturteile aus eben jener Perspektive zu fällen, und: Sein besonderes Interesse galt dem Einfluß der Religion auf die Gesellschaft, und zwar dem Einfluß der – wie er sie nennt – >falschen Religionsformen<, nämlich Aberglaube und Schwärmerei. Ihre schädliche Wirkung auf das menschliche Zusammenleben untersucht Hume anhand zahlreicher überzeugender historischer Beispiele. Allein aus diesem Grund gehört die History of England auch zu den herausragenden Beispielen der Aufklärungshistorie.

Den ersten Band vollendete Hume in den Jahren 1752-4 in Edinburgh. Als Bibliothekar am Juristenkollegium stand ihm der reiche Bestand an Büchern praktisch frei zur Verfügung. Behandelt wird im ersten Band der Zeitraum vom Tod von Königin Elizabeth I. (1603) bis zur Hinrichtung von König Karl I. (1649). Humes Edinburgher Verleger – wie der Autor vom durchschlagenden Erfolg des Buches überzeugt – hatte Hume "für die Erstauflage von 2000 Exemplaren das unglaublich hohe Angebot von 400 Pfund" gemacht. Aber sein "jüngstes und liebstes Kind", wie Hume den ersten Band der History of England in einem Brief nannte, litt an Durchfall. Denn wegen der religionskritischen Ausführungen und, vor allem, wegen der Darstellung der Umstände des Todes von Karl I. wurde Hume von fast allen Seiten angepöbelt. Er überlegte sogar, die unwirtliche britische Insel bei Nacht und Nebel zu verlassen und sich im geselligeren Süden, vorzugsweise in Frankreich, niederzulassen. Selbst noch 22 Jahre später, in der wenige Monate vor seinem Tod verfassten Autobiographie, erinnert sich Hume mit Verbitterung an den damaligen Aufruhr: «Ich glaubte, der einzige Historiker zu sein, der sich weder um gegenwärtig herrschende Mächte, Interessen und Autoritäten noch um das Geschrei umlaufender Vorurteile kümmerte. Und da ich den Gegenstand für jedermann faßlich dargestellt hatte, rechnete ich auf entsprechenden Beifall. Doch wie jämmerlich scheiterte meine Hoffung! Ein einziger Schrei des Vorwurfs, der Mißbilligung, ja des Abscheus schlug mir entgegen. Engländer, Schotten, Iren, Whigs und Tories, Kirchenmann und Staatsdiener, Freidenker und Eiferer, Patriot und Hofmann, alle vereinten sich in der Entrüstung über einen Mann, der sich vermessen hatte, großzügig auch eine Träne über das Schicksal Karls I. ... zu vergießen.»

Den zweiten Band der History of England beendete Hume ebenfalls in Edinburgh, kurz, nachdem er sein Amt als Bibliothekar zurückgelegt hatte. Dieser Band, in dem der Zeitraum von 1649 bis 1688 behandelt wird, erschien Anfang 1757 in London. Der zweite Band der History of England wurde um einiges wohlwollender als der erste aufgenommen.

Der dritte Band erschien 1759 wiederum in London und stellt die Geschichte der Herrschaft der Tudors (1485-1603) dar. Erneut war die Ablehnung massiv.

Für den abschließenden vierten Band unterschrieb Hume 1759 einen Vertrag, der ihm 1.400 Pfund einbrachte – die höchste Summe, die bis dahin ein Autor in Großbritannien für ein Buch erhalten hatte. Im vierten Band behandelt Hume die Geschichte Englands von der Invasion Caesars bis zur Thronbesteigung Heinrich VII. Abgeschlossen und verlegt wurde dieser letzte Band, der von allen wohl der uninteressanteste ist, schließlich 1761 in London.

Dasjenige, was Hume bei der Abfassung seiner History of England vorschwebte, war die >Idee einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht<. Es ist nicht überraschend, daß der Erfinder dieser Formel ein großer Verehrer Humes im allgemeinen und der History of England im besonderen war: «Man rühmt, daß in Deutschland der Geschmack in schönen Künsten zugenommen hat. Aber wo ist der ... Schriftsteller, der die Geschichte und die trokensten philosophische Gegenstände mit Verstand und tiefer einsicht doch so schön abhandelt als hume.»2

Anmerkungen:

1 Alle in Anführungszeichen gesetzten Zitate sind entnommen: G. Streminger, Hume, Rowohlt Bildmonographie. Reinbek 1986 (32003), S. 73-87.

2 I. Kant, Reflexionen zur Anthropologie, abgedr. In: Akademie-Ausgabe XV, S. 592.


William the Conquerer

Um 1027 als illegitimer Sohn Herzog Roberts I. in der Normandie geboren – trotz Widerstände wird Wilhelm Nachfolger seines Vaters in der Normandie – König Eduard bestimmt seinen Cousin Wilhelm zum Nachfolger auf den englischen Thron – nach Eduards Tod wird jedoch Harold zum König von England ernannt – Wilhelm landet 1066 mit einem normannischen Heer in England und besiegt Harold in der Schlacht von Hastings – Wilhelm lässt sich zum König von England krönen – Er unterwirft das ganze Land und ordnet es neu auf Grundlage des normannischen Lehenswesens (größere Macht des Königs, Rittertum) – Wilhelm stirbt während eines Feldzuges in Frankreich 1087 nahe Rouen.

Few princes have been more fortunate than this great monarch, or were better entitled to grandeur and prosperity, from the abilities and the vigour of mind which he displayed in all his conduct. His spirit was bold and enterprising, yet guided by prudence: His ambition, which was exorbitant, and lay little under the restraints of justice, still less under those of humanity, ever submitted to the dictates of sound policy. Born in an age when the minds of men were intractable and unacquainted with submission, he was yet able to direct them to his purposes; and partly from the ascendant of his vehement character, partly from art and dissimulation, to establish an unlimited authority. Though not insensible to generosity, he was hardened against compassion; and he seemed equally ostentatious and equally ambitious of show and parade in his clemency and in his severity. The maxims of his administration were austere; but might have been useful, had they been solely employed to preserve order in an established government: They were ill calculated for softening the rigours, which, under the most gentle management, are inseparable from conquest. His attempt against England was the last great enterprize of the kind, which, during the course of seven hundred years, has fully succeeded in Europe; and the force of his genius broke through those limits, which first the feudal institutions, then the refined policy of princes, have fixed to the several states of Christendom. Though he rendered himself infinitely odious to his English subjects, he transmitted his power to his posterity, and the throne is still filled by his descendants: A proof, that the foundations which he laid were firm and solid, and that, amidst all his violence, while he seemed only to gratify the present passion, he had still an eye towards futurity. (Band I, p. 225)

 

Übersetzung:

Wilhelm der Eroberer

Nur wenige Fürsten waren so vom Schicksal begünstigt wie dieser große Monarch; und nur wenige waren berufener zu Größe und Wohlstand, auf Grund der Fähigkeiten und der Verstandeskraft, die er in seinem gesamten Verhalten zeigte. Sein Geist war kühn und unternehmungsfreudig, jedoch von Besonnenheit gelenkt: Sein maßloser Ehrgeiz, der nur wenig durch Gerechtigkeit eingeschränkt wurde und noch weniger durch Menschlichkeit, beugte sich stets dem Gebot vernünftiger Politik. Geboren in einem Zeitalter, in dem der Geist der Menschen unlenksam und mit Unterordnung nicht vertraut war, verstand er es dennoch, diese so zu lenken, dass sie sich seinen Zwecken fügten: und er konnte eine uneingeschränkte Machtfülle errichten – teils durch die Überlegenheit seines vehementen Charakters, teils durch Kunst und Verstellung. Obwohl nicht unempfindlich für Großzügigkeit, war er doch verhärtet gegenüber Mitleid; und sowohl in seiner Milde als auch in seiner Härte schien er ebenso prahlerisch wie interessiert an Show und Parade. Die Grundsätze seiner Verwaltung waren streng, hätten aber nützlich sein können, wären sie allein zur Einhaltung von Ordnung in einer bestehenden Regierung ausgeübt worden: Sie waren jedoch schlecht geeignet, die Härten zu mildern, die mit einem Eroberungskrieg selbst unter sanftmütigster Führung untrennbar einhergehen. Sein Angriff auf England war das letzte große Unternehmen dieser Art, das in Europa, im Laufe von siebenhundert Jahren, völlig erfolgreich war; und die Kraft seines Genies durchbrach jene Schranken, die zunächst die Feudaleinrichtungen, dann die raffinierte Politik der Fürsten in den verschiedenen christlichen Staaten errichtet hatten. Obwohl er sich den grenzenlosen Hass seiner englischen Untertanen zugezogen hatte, übertrug er seine Macht dennoch auf seine Nachkommenschaft, und der Thron wird immer noch von seinen Abkömmlingen besetzt: Ein Beweis dafür, dass die von ihm geschaffenen Fundamente fest und solide waren und dass er, inmitten all seiner Gewalttätigkeit, während er nur seiner momentanen Leidenschaft zu frönen schien, doch auch ein Auge auf die Zukunft gerichtet hatte.


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